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Der Teuro ist reine Gefühlssache

Künasts Idee eines Gesprächs zu Preissteigerungen wird ringsum abgewatscht. Wirtschaftsminister: „Populärer Schaueffekt“. Verbindliche Maßnahmen wird es nicht geben, Verbraucherverbände halten nichts von freiwilligen Preiskontrollen

aus Berlin BEATE WILLMS

Wer zuerst zuckt, hat verloren. Mit diesem Spiel sollen Kinder lernen, nicht auf jeden Reiz zu reagieren. Bei der Diskussion um die „gefühlte Preissteigerung“ durch die Euro-Umstellung hat sich Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) als Erste bewegt – und sich damit Kritik von allen Seiten eingehandelt. Zuerst wandten sich Handel und Gastronomie gegen Künasts Idee eines runden Tisches, für den die Springer-Presse schnell den Titel „Anti-Teuro-Gipfel“ parat hatte. Begründung: Der Markt werde es schon richten. Dann fiel Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) der Kabinettskollegin in den Rücken. „Dieser Gipfel ist ein bisschen populärer Schaueffekt“, sagte er. Das fürchten auch Verbraucherschützer. Trotzdem wollen sie sich nicht die Chance entgehen lassen, „mal darüber zu reden“, wie Carel Mohn vom Bundesverband der Verbrauchergemeinschaften der taz sagte.

Im Verbraucherministerium selbst hat man die Erwartungen für das am Freitagnachmittag stattfindende Gespräch inzwischen ganz niedrig gehängt. „Wir wollen die Verbände dafür sensibilisieren, dass schnellstmöglichst etwas geschehen muss“, so Sprecher Andreas Schulze. Wenn sich der Euro-Frust in einem breiten Kaufboykott widerspiegele, hätten darunter nicht nur schwarze Schafe, sondern die gesamten Branchen zu leiden.

Was allerdings passieren soll, darauf wollte Schulze sich nicht festlegen. „Ordnungspolitische Vorgaben“ werde man nicht machen. „Wir stoßen den Dialog an, die Lösung muss von den Verbänden kommen“, sagte er. Möglich wäre beispielsweise eine freiwillige Preiskontrolle, die bei den Verbänden liege. Diese halten sich bislang mit Vorschlägen zurück: „Es bedarf keiner staatlichen Folterinstrumente“, sagte Hubert Pellengahr vom Einzelhandelsverband und traf damit den Tenor den anderen Wirtschaftsverbände.

Die Verbraucherverbände sind sich dagegen vor allem in einem einig: „Die Preissteigerungen haben uns in unserer Skepsis gegenüber freiwilligen Selbstverpflichtungen bestätigt“, sagte Bundesverbandssprecher Mohn. Sein Vorschlag: die doppelte Preisauszeichnung bis zum Jahresende beizubehalten. Sybille Kuja, Rechtsreferentin der Europäischen Verbraucherzentrale in Kiel, verwies dagegen auf die positiven Erfahrungen in anderen Euro-Ländern. Sie forderte eine zentrale, vom Bundesfinanzministerium unterstützte Meldestelle. Dort sollen Beschwerden über unmäßige Teuerungen gesammelt und – „wegen der Fairness“ – mit einer Stellungnahme des Unternehmens veröffentlicht werden. In den Niederlanden habe ein ähnliches Verfahren im Januar rund 1.200 und im Februar nur noch rund 700 Beschwerden erbracht.

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