: Videoüberwachung mit Weitwinkel
Innensenator Körting legt Gesetzentwurf zur Beobachtung von „gefährdeten Objekten“ vor. Die Umgebung kommt mit vor die Linse. Außerdem Reformen bei der Bekämpfung häuslicher Gewalt und „finalem Rettungsschuss“ geplant
Vor allem jüdische Einrichtungen sollen durch Videoüberwachung in Zukunft effektiver geschützt werden. Zu diesem Zweck verabschiedete der Senat am Dienstag einen Entwurf zur Änderung des Polizeigesetzes auf Vorlage von Innensenator Ehrhart Körting (SPD).
Der Entwurf sieht vor, dass die Polizei bei „gefährdeten Objekten“ künftig auch die unmittelbare Umgebung per Video überwachen darf. Mit unmittelbarer Umgebung ist laut Körting etwa der Bürgersteig vor einer Synagoge gemeint. Bisher war Videoüberwachung auf das eigentliche Bauwerk beschränkt. Unter die Definition „gefährdetes Objekt“ fallen in dem Gesetzesentwurf nun „Religionsstätten, Friedhöfe oder Denkmäler“. Körting nannte als Beispiel für potenziell gefährdete Orte jüdische Einrichtungen, aber auch das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park.
Der Gesetzentwurf sieht ausdrücklich nicht vor, öffentliche Plätze zu überwachen. Eine solche Praxis, wie sie in Deutschland etwa in Leipzig angewandt wird, hatte wiederholt die Berliner CDU gefordert. Sie hat deshalb bereits angekündigt, Körtings Entwurf im Abgeordnetenhaus abzulehnen.
Nicht so die beiden anderen Oppositionsparteien. Für die Bündnis 90/Die Grünen erklärte der frühere Justizsenator Wolfgang Wieland: „Dies ist nicht der erste Schritt in die Überwachung des öffentlichen Raumes. Wichtig ist: Das Gebäude steht im Mittelpunkt. Der Mensch ist nicht im Visier.“ Die grüne Fraktion werde das Gesetz im Parlament mittragen, jedoch „seine Umsetzung genau überwachen“. Auch die Fraktion der Liberalen wird im Abgeordnetenhaus für den Körting-Entwurf stimmen. Die Absicht zu einer solchen Gesetzesänderung war sowohl im rot-roten Koalitionsvertrag paraphrasiert als auch in den gescheiterten Ampelkoalitions-Verhandlungen so formuliert worden.
Darüber hinaus sieht der Körting-Entwurf Änderungen des Polizeigesetzes vor, die einen besseren Schutz vor gewalttätigen Lebenspartnern ermöglichen sollen. Für bis zu vierzehn Tage soll nun ein prügelnder Ehemann oder eine prügelnde Ehefrau von einem zum Tatort geeilten Polizisten aus der Wohnung gewiesen werden können. Seit einiger Zeit läuft dazu in Berlin ein Modellprojekt, die Praxis soll nun aber auf eine feste gesetzliche Grundlage gestellt werden.
Der Senat beschloss zudem, den so genannten finalen Rettungsschuss im Polizeigesetz zu regeln. Unter bestimmten Bedingungen wird Polizisten der Schusswaffengebrauch gestattet, auch wenn das Risiko in Kauf genommen werden muss, den Täter „mehr als zu verletzen“ (Körting). Grundlage soll im Berliner Polizeigesetz im Gegensatz zu vielen anderen Länderregelungen der Notwehrparagraf sein. Nach seinem Verständnis habe in einem Rechtsstaat keine Behörde das Recht zu töten, erklärte Körting. Deshalb sei der polizeiliche Gebrauch der Schusswaffe mit Todesfolge „nur in Ausübung des Notwehrreichts, nicht im Rahmen einer spezifischen polizeilichen Befugnis“ möglich. ROBIN ALEXANDER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen