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Möllemanns Fantasien

■ Ex-Sozialsenator Walter Franke ist wegen Möllemanns Auftritt aus dem Deutsch-Arabischen Club ausgetreten. In der taz erklärt er seinen Entschluss

Walter Franke (SPD) war von 1975 bis 1980 Bremer Sozialsenator. Anfang der 80er-Jahre war er Marokkos Honorarkonsul und Vorsitzender des Deutsch-Arabischen Clubs Bremen (DAC). In der vergangenen Woche ist er wegen Jürgen Möllemanns Auftritt aus der Vereinigung ausgetreten.

taz: Was ist der Deutsch-Arabische Club?

Walter Franke: Eine Vereinigung von Kaufleuten, Sprachwissenschaftlern und Arabienreisenden – mit ganz gemischten Interessen also. In den 80ern hatte der Club bis zu 150 Mitglieder, heute sollen es nur noch etwa 40 sein.

Ist der Club Teil von Möllemanns Deutsch-Arabischer Gesellschaft (DAG)?

Kürzlich hat der Vorsitzende Horst-Jürgen Lahmann erklärt, wir seien kooperatives Mitglied der DAG geworden. Unter meinem Vorsitz hatten wir uns nach langer Diskussion dagegen entschieden. Wir Bremer wollten uns von der größeren DAG nicht dominieren lassen.

Was genau hat Sie nun zum Austritt aus dem DAC bewogen?

Entscheidend war Möllemanns Auftritt in Bremen, mitten in diesem Konflikt, der nach wie vor die Öffentlichkeit beherrscht. So etwas gehört sich nicht. Man hätte Möllemann entweder ausladen oder sich wenigstens klar von seinen Äußerungen distanzieren müssen.

Herr Lahmann hat Möllemann in allem recht gegeben ...

Das ist genau der Punkt. Lahmann hat in dem Konflikt keine neutrale Rolle gespielt, sondern eine regelrechte Liebeserklärung an Herrn Möllemann abgegeben. Und gleichzeitig Friedman einseitig verurteilt, dessen „arrogante Art“ ihm auf die Nerven gehe. Dann wird ihm immer der feine Herr Bubis gegenüber gestellt. Aber als Herr Bubis noch lebte, hab ich sowas nie gehört. Da wurde über ihn natürlich auch hinter vorgehaltener Hand geredet. Jetzt kann er sich nicht mehr wehren.

Warum ist Friedman so eine Reizfigur?

Da spielt eine gehörige Portion Neid eine Rolle. Er ist intelligent, gebildet und charmant. Dagegen wirkt ein Möllemann eher grobschlächtig und humorlos.

Dürfen wir Deutsche Israels Politik kritisieren?

Natürlich, manchmal müssen wir das sogar, zumal ich auch für einen palästinensischen Staat eintrete. Das Recht auf Kritik hat Friedman uns auch nicht abgesprochen. Er hat nur die Einseitigkeit der Berichterstattung beklagt . . .

. . . und die Rechtfertigung von Selbstmordattentaten in Möllemanns Fallschirmspringer-Moral angegriffen . . .

Möllemann und seine Selbstverteidigungsfantasien . . . ich möchte nicht, dass er im Ernstfall irgendwann bei meiner Frau und mir auf der Terrasse steht. Wenn er es partout nicht lassen kann, soll er lieber in Tunesien abspringen. Da gibt es auch seit 15 Jahren bei jeder Wahl 99,5 Prozent!

Haben Sie die Möllemann-Huldigungen des Bremer Publikums überrascht?

Ich kenne ja auch die Stimmung in Teilen der Bevölkerung. Mit einem gewissen Zulauf war nach seinen Auftritten in den letzten Tagen zu rechnen. Es war voraussehbar, dass da ein ganz bestimmter Bevölkerungsteil hingehen und sich entsprechend euphorisch geben würde, auch für Herrn Lahmann. Lahmann ist ja nicht irgendwer. Er ist nicht nur über 18 und voll geschäftsfähig, sondern auch Bremens ehemaliger Vertreter beim Bund; heute Großorganisator von Wirtschaftsgesprächen. Er weiß, was er tut. Man kann von ihm ein gewisses Augenmaß erwarten.

Sehen Sie die Gefahr, dass sich antisemitische Tendenzen im Deutsch-Arabischen Club breit machen?

Die sind überall latent. Dem muss ein Vorstand entgegenwirken.

Sehen Sie die FDP in Gefahr?

Es gibt da auch honorige andere Stimmen. Wieweit die den Laden in den Griff kriegen, weiß ich nicht.

Wie sollte die FDP mit Möllemann umgehen?

Die Partei muss sich scharf distanzieren, ohne Halbheiten.

Halten Sie Möllemann selbst für einen Antisemiten?

Er fördert durch seine Äußerungen den Antisemitismus. Ob er selbst Antisemit ist, kann ich nicht sagen. Dafür kenne ich ihn zu wenig. Obwohl ich mit ihm und seinem Geschäftsführer bei der DAG schon früher Konflikte hatte, weil sie ständig für das Regime von Saddam Hussein Partei nahmen.

Glauben Sie, dass sich deutsche Muslime mit antisemitischen Äußerungen mobilisieren lassen?

Nur zum Teil. Die von Möllemann angepeilten 800.000 Stimmmen bringt das sicher nicht. Das hängt auch von der regionalen Herkunft ab. Zum Beispiel in Marokko sind Juden gut integriert. Ich glaube auch nicht, dass die Türken sich in dieser Richtung instrumentalisieren lassen. Auch im Mittleren Osten, in Kuwait oder Bahrain ist die Stimmung bei weitem nicht so gegen Israel aufgeheizt wie in Nahost. Fragen: Jan Kahlcke

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