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Schröder bittet DGB um Milde

Auf dem DGB-Kongress gibt sich Gerhard Schröder ganz als Genosse der Arbeitnehmer. Die Gewerkschafter sollen gebrochene Versprechen verzeihen – und bitte Schützenhilfe gegen Stoiber leisten. Der Unions-Kandidat spricht heute, Westerwelle sagt ab

aus Berlin ULRIKE HERRMANN

Es war eine Rede ohne Spannungsbogen, eher eine Aufzählung: Mit Kanzler Schröder begann gestern das Schaulaufen der Parteiführer beim DGB. Auf dem 17. Bundeskongress der Gewerkschaften streifte Genosse Gerhard jedes Thema, das Arbeitnehmer berühren könnte.

Er bekannte sich zur modernisierten Mitbestimmung, zur Tarifautonomie und zum Recht auf Teilzeit. Er war gegen jede Einschränkung des Kündigungsschutzes und gegen eine Zwei-Klassen-Medizin.

Der Opposition, die er am liebsten nur als „die anderen“ titulierte, warf er vor, eine „Reise in die Vergangenheit“ anzutreten. Etwa mit dem Vorschlag, ein Familiengeld von 600 Euro pro Kind einzuführen. Junge Frauen sollten „eine Prämie bekommen, damit sie zu Hause bleiben“. Das ist mit Sozialdemokraten natürlich nicht zu machen: Sie wollen in der nächsten Legislaturperiode vier Milliarden Euro in die Kinderbetreuung investieren.

Schröder warnte davor, dass „die anderen“ das so genannte Günstigkeitsprinzip abschaffen wollten, wonach von einem Tarifvertrag nur abgewichen werden darf, wenn der Arbeitnehmer profitiert. „Lohndumping“, prognostizierte der Kanzler, falls er im September nicht mehr Kanzler sein sollte.

Am meisten Applaus bekam Schröder, als er die etwa 400 DGB-Delegierten aufforderte, Unionskandidat Stoiber in die Pflicht zu nehmen, der heute auf dem Bundeskongress spricht. Man solle von ihm verlangen, dass die Unionsländer morgen im Bundesrat dem Tariftreuegesetz zustimmen. Es sieht vor, dass öffentliche Auftraggeber nur Firmen beschäftigen dürfen, die tarifgerecht entlohnen.

In der Arbeitsmarktpolitik wartete Schröder mit einem neuen Argument auf: Seiner Regierung sei es erstmals gelungen, die Sockelarbeitslosigkeit trotz Krise abzubauen. Und er konnte 500.000 Arbeitslose weniger als im April 1998 melden sowie 1,2 Millionen mehr Erwerbstätige. Allerdings hatte er noch vor vier Jahren versprochen, seine erste Amtszeit mit nur 3,5 Millionen Arbeitslosen zu beenden.

Ein anderes heikles Thema ließ der Kanzler ganz aus: Die Steuer- und Finanzpolitik wurde mit keinem Wort erwähnt, obwohl es die Gewerkschaften entrüstet hatte, wie umfangreich die Großunternehmen entlastet wurden.Während der DGB-Vorstand am Ende artig und in „kritischer Solidarität“ für die Rede dankte, grummelte es im Saal. Die DGB-Jugend hielt ein Plakat hoch „Umverteilung macht sexy – tu’s mal wieder, Gerhard“, und die Erwerbslosenorganisationen forderten per Transparent „Hände weg von der Arbeitslosenhilfe“. Dabei hatte Schröder gerade versprochen, dass sie nicht auf das Niveau der Sozialhilfe reduziert werden sollte. Aber wie es eine freundliche weißhaarige Delegierte ausdrückte: „Jetzt muss der Gerhard an seinen Versprechungen gemessen werden.“ In diese Verlegenheit wird Guido Westerwelle nicht kommen. Anders als geplant hält der FDP-Chef keine Rede beim DGB. Er verlängerte seine Nahostreise, um auch noch den ägyptischen Außenminister zu treffen.

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