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Aufklärung unerwünscht

Auch drei Jahre nach dem Blutbad am israelischen Generalkonsulat hat kein deutscher Richter die Todesschützen verhört. Ein diplomatischer Kleinkrieg verschleppt die juristische Aufarbeitung in Berlin

von PHILIPP GESSLER

Auch mehr als drei Jahre nach der Schießerei am Israelischen Generalkonsulat geht hinter den Kulissen das diplomatische Gerangel um Verhöre der Todesschützen weiter. Der taz zugängliche Unterlagen legen nahe, dass sowohl die israelische wie die deutsche Seite wenig an der Aufklärung der Tragödie vom Februar 1999 interessiert sind, als vier Kurden durch Schüsse tödlich verletzt wurden.

Einen Einblick in die Verschleppungstaktik deutscher und israelischer Behörden geben derzeit Akten, die der 7. Strafkammer des Landgerichts in einem nicht öffentlichen Verfahren gegen kurdische Angeklagte vorliegen. Den Angeklagten wird in dem voraussichtlich letzten „Kurdenprozess“ vorgeworfen, am 17. Februar 1999 gewaltsam in die diplomatische Vertretung Israels in Schmargendorf eingedrungen zu sein. Nach der Verhaftung des PKK-Führers Abdullah Öcalan hatten aufgebrachte Kurden versucht, in das Konsulat zu gelangen. Dabei war es zu Prügeleien mit der Polizei gekommen. Israelische Sicherheitsbeamte hatten im Laufe der Auseinandersetzungen auf Kurden im und vor dem Generalkonsulat geschossen. Vier junge Kurden wurden dabei tödlich verletzt.

Die Todesschützen, geschützt durch ihren diplomatischen Status, mussten sich bisher weder vor einem israelischen noch vor einem deutschen Gericht verantworten. Kürzlich war der damalige Botschafter Israels in Berlin, Avi Primor, von der offiziellen israelischen Version abgerückt, wonach die Schützen in Notwehr gehandelt hätten: „Im Nachhinein weiß ich, dass es keine Notwehr war“, sagte er der taz.

In juristisch abstrakter Sprache wirft das Gericht den israelischen Behörden in internen Unterlagen nun vor, sie würden Zusagen brechen und Gepflogenheiten bei internationalen Rechtshilfeersuchen verletzen, um eine Vernehmung der israelischen Schützen als Zeugen für das laufende Verfahren zu vereiteln. So seien beispielsweise erste Versuche eines vorherigen Verfahrens der 9. Strafkammer im Jahr 1999, die Israelis zu laden, von den Behörden Israels nicht beantwortet worden, so dass dieser Prozess ohne die Zeugenaussagen beendet wurde. Die israelischen Behörden hätten auf die Anfrage des Gerichts für eine Ladung der Sicherheitsleute über 30 Monate lang nicht reagiert. Die Kammer geht davon aus, dass den israelischen Behörden die Namen beider Ex-Mitarbeiter bekannt und zumindest ein Zeuge zudem erreichbar sei.

Diplomatische Verzögerungstaktik oder bestenfalls Schlamperei sind auch bei den deutschen Behörden offensichtlich. So ist es dem Gericht im Laufe des Verfahrens Ende März, Anfang April durch eine Anfrage über die Berliner Senatskanzlei innerhalb von nur drei Tage gelungen, zumindest den Namen eines Schützen zu erkunden, wie die Verteidigung festhält. Zwar seien den deutschen Ermittlern offenbar schon einen Tag nach dem blutigen Geschehen die Namen der Schützen bekannt gewesen. Diese Namen sind aber nach Ansicht der Verteidiger anscheinend bewusst nicht in den Akten festgehalten worden, um eine diplomatisch heikle Vernehmung der Israelis in Deutschland zu verhindern oder zu verschleppen. Dabei hätten die Schützen zumindest unmittelbar nach der Schießerei ihre Bereitschaft zu einer Aussage erklärt.

Das Gericht zeigt sich in den Prozessakten sichtlich verärgert über die Nichtbeachtung des Rechtshilfeersuchens aus Berlin. Erst auf Druck der deutschen Botschaft in Tel Aviv habe es eine Reaktion des israelischen Justizministeriums gegeben (und das ebenfalls erst nach einem Jahr Warten und nur für eine frühere Mitarbeiterin des Konsulats, deren Aussage nicht von so dringendem Interesse war). Die Strafkammer entnimmt zwar Äußerungen des israelischen Justizministeriums, dass es einer Vernehmung von israelischen Zeugen, womöglich anonymisiert, mit Hilfe einer Videokonferenz akzeptieren könnte. Einem Verhör durch das ganze Gericht in Israel werde die israelische Seite nach Einschätzung der Kammer jedoch nicht zustimmen. Wegen solcher Hindernisse und weil das Gericht eine Aussage der Zeugen vor der kompletten Kammer für nötig hält, lehnte es folgerichtig einen Antrag der Verteidigung auf Ladung der Zeugen ab.

Wie geht es nun weiter? Der Kammer liegen rund vier Monate alte Akten des Auswärtigen Amtes vor, in der die Ansicht von deutschen Diplomaten festgehalten wird, dass das israelische Justizministerium fleißig prüfe, ob eine Video-Zeugenvernehmung möglich ist. In diesen Akten schätzt die deutsche Seite die Lage so ein, dass die israelischen Kollegen die Sache den üblichen Gepflogenheiten entsprechend bearbeite. Einem Vermerk der Berliner Justizverwaltung von Ende April zufolge wurde einer der beiden Schützen in Israel ausfindig gemacht. Der andere, der bereits im Ruhestand sei, werde von den israelischen Behörden noch gesucht, sei aber wahrscheinlich in Israel. Die Justizverwaltung erwartete vor zwei Monaten den Akten nach eine schriftliche Antwort der Israelis zur Frage einer möglichen Video-Zeugenvernehmung innerhalb kurzer Zeit. Die Israelische Botschaft sah sich auf Anfrage nicht in der Lage, die Angelegenheit zu kommentieren. Die Strafkammer am Landgericht und die Angeklagten warten noch immer auf Antwort aus Israel.

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