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Am Ende zählt doch der Preis

Viele Großküchen bieten Essen aus ökologischem Landbau an. Ihre Chefs machten dabei ambivalente Erfahrungen: Widerstand bei den Köchen, widersprüchliches Verhalten der Kundschaft

Für die Kantine eines Betriebes kann Öko-Essen auch eine Prestigefrage sein ... ... wenn z.B. zur Corporate Identity ein sensibler Umgang mit Ressourcen gehört

von GERNOT KNÖDLER

Krysztof Kubiak kann sich nicht vorwerfen, er hätte sich zu wenig engagiert. Der Umweltberater des Bezirks Nord wollte Bio-Essen in der Kantine des Bezirksamtes einführen. Er machte eine Umfrage, bei der sich mehr als 80 Prozent der Mitarbeiter ein ökologisches Essen wünschten. Er warb bei jedem einzelnen Kollegen für das neue Angebot. Und trotzdem hat er es nicht geschafft, ein Bio-Gericht auf der Speisekarte zu etablieren. „Drei Monate lief es gut“, sagt Kubiak. Dann sah das Essen immer mehr nach öko aus und die Gäste murrten. Was blieb sind Mischgerichte mit Bio-Komponenten.

Wie eine Diskussion des Agenda-21-Büros im Bezirksamt Nord unter Küchenchefs und Händlern zeigte, ist Kubiak an einem durchaus typischen Problem bei der Einführung von Essen aus ökologischem Landbau gescheitert, allerdings nur einem unter vielen. Die meisten Gäste richten ihre Wahl noch immer am Preis aus. Vor allem wenn das Portemonnaie schmäler wird, streichen sie Extras wie Essen aus ökologischem Landbau aus ihrem Speiseplan. Doch die Höhe des Mehrpreises ist nicht unumstößlich, wie Thomas Hinz, Eigentümer von Hamburgs erstem Bio-Discounter im Uni-Viertel, versichert. Und manch einer der Küchenchefs hat die Hoffnung nicht aufgegeben, seine Kundschaft auf den ökologischen Geschmack zu bringen.

Hinz zum Beispiel lässt seine Kundschaft probieren. Das widerspricht zwar eigentlich dem Discounter-Prinzip, habe aber bei Erdkorn viele neue Käufer überzeugt. „Die schmecken bio und sind dann begeistert“, erzählt Hinz. „Und die älteren Kunden sagen: Das schmeckt ja wie früher.“

Auch Christian Lunau, Küchenleiter bei der Hermes-Kreditversicherung in Ottensen, setzt auf den guten Geschmack der Ökoware. Bei ihrer Einführung stieß er jedoch auf ein unerwartetes Problem: „Die meisten Köche wissen das gar nicht zu schätzen“, sagt Lunau. Er habe viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, bis sie diese Rohstoffe so behandelten, dass der Unterschied auch zu schmecken war.

Dabei müssen sich die Lieferanten auf die zunehmende Rationalisierung des Küchenbetriebs einstellen. „Wer selbst schält, ist selbst schuld“, sagt Lunau. Kaum eine Küche verfügt heute noch über Personal und Maschinen zum Kartoffelschälen. Torsten Bunge vom Bioland-Großlieferanten Nabuco bietet schon längst vorgeschnittenes Gemüse im Vakuum-Pack an und schreckt auch vor tiefgefrorenen Fertiggerichten nicht zurück.

„Es kommt darauf an, wie man das macht“, sagt Bunge. Die Ware müsse sofort tiefgefroren und ohne Unterbrechung der Kühlkette just in time geliefert werden. Ein Geschmacksverlust, da sind sich die Küchenchefs einig, ist bei einem korrekten Verfahren nicht zu befürchten. Solche Kantinen-kompatiblen Angebote helfen den Küchenchefs, die Preisunterschiede zwischen Öko-Essen und konventionellen Gerichten zu verkleinern, weil das Personal wie überall einen Großteil ihrer Kosten verursacht.

Auf der Lieferantenseite hält Thomas Hinz die Logistik, den Transport der Ware vom Erzeuger zum Verbraucher, für das größte Kostenproblem. Der auftretenden Widersprüche ist er sich dabei durchaus bewusst. „Ökologisch heißt regional“, sagt er. Zugleich sei aber ein Transport aus der Region schwieriger zu bewerkstelligen als einer über den Großhandel.

„Die Preisgestaltung ist ein abenteuerliches Feld“, sagt Hinz. Zwar ist Bioware im Durchschnitt 40 Prozent teurer, aber eben nur im Durchschnitt: Bei Fleisch ist die Differenz größer als beim Gemüse. Und manchmal gerät das Gefüge ganz durcheinander. „Wir haben Obst, das wir gleichpreisig zu konventioneller Ware anbieten können“, versichert Hinz – je nachdem wie sich die Märkte für konventionelle und Bio-Ware jeweils entwickeln. „Wir haben in Hamburg Kunden, die das teilweise ausnutzen“, bestätigt Bunge für den Großhandel. Um dem Preisargument im „Betriebsrestaurant“ zusätzlich die Schärfe zu nehmen, gibt es den einen oder anderen Trick: Es muss ja nicht immer das aufwendigste Gericht sein, das in Bio-Qualität angeboten wird. Spaghetti mit Tomatensoße tun‘s auch.

Lunau bietet einzelne Gemüse-Beilagen in Bio-Qualität an, die die Gerichte kaum verteuern, den Gästen aber die Chance geben, auf den Geschmack zu kommen. Andreas Zupke, Chef des HEW-Betriebsrestaurants, setzt auf Argumente: „Ein informierter Tischgast greift zu, trotz des Preises“, behauptet er. Bei den Hamburgischen Electricitäts-Werken gibt es seit drei Jahren einmal die Woche ein Öko-Gericht, das gut angenommen wird. Schließlich kann es auch eine Prestigefrage für ein Betriebsrestaurant sein, ob es Öko-Essen anbietet, zum Beispiel wenn zur Corporate Identity ein verantwortungsbewusster Umgang mit Ressourcen gehört.

Bei der Kantine des Bezirksamtes mit weniger als 200 Gästen sieht Umweltberater Kubiak aber wenig Chancen für einen neuen Versuch, eine komplette Öko-Mahlzeit zu etablieren. Große Betriebsrestaurants könnten mit ihrem Kapital in Vorleistung gehen, um ihre Gäste für Bio-Essen zu werben. Kubiak: „Das kann sich eine kleine Kantine nicht leisten.“

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