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Öffentlichkeit muss dominant bleiben

Der Architekturhistoriker Bruno Flierl kritisiert den Bundestag: Verfahren übergeht Auftraggeber und Prüfung des Expertenberichts zur Realisierbarkeit, Finanzierung und Nutzung. Sorge vor zu starken privaten Schloss-Interessen

taz: Herr Flierl, waren Sie über die große Mehrheit im Deutschen Bundestag, die für den Wiederaufbau der barocken Schlossfassade votiert hat, erstaunt?

Bruno Flierl: Ich hatte damit gerechnet, dass eine Mehrheit zustande kommt. Aber dass diese so groß werden würde, hat mich doch überrascht.

Widerspricht nicht der Bundestagsbeschluss dem von den Auftraggebern Bund und Land Berlin geforderten Verfahren, erst die Kommissionsbeschlüsse prüfen zu wollen?

Natürlich. Kurt Bodewig als Bundesbauminister und Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister haben nach dem Expertenbericht übereinstimmend erklärt, dass zunächst eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Kulturstaatsministers eingesetzt wird. Diese sollte den Bericht der Kommission, insbesondere die Nutzungs- und Finanzkonzeption auf ihre Realisierbarkeit prüfen und danach einen Wettbewerb ausschreiben, in dem barocke und moderne Fassaden als Varianten möglich sind. Erst dann sollte die Ebene der Parlamente von Bund und Land eingeschaltet werden.

Entschieden ist die barocke Fassade, nicht entschieden der Innenausbau. Geht damit die Diskussion weiter?

Es ist eine Vorentscheidung getroffen worden über das Gebäude in seiner Gestalt und seinem Aussehen. Jetzt muss das, was da hineinkommt, erst einmal von den Finanzierungsmöglichkeiten und der Nutzungsart her debattiert und architektonisch entworfen werden.

Warum? Fest steht doch, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit einem Museum, die Humboldt-Universität mit ihren musealen Sammlungen und die Landesbibliothek dort einziehen wollen.

Richtig. Aber von diesen gibt es weder konkrete Raumvorstellungen noch klare Finanzierungszusagen. Und wie diese mit der Idee der ‚Agora des 21. Jahrhunderts‘, einem Forum, wo die Öffentlichkeit über aktuelle Zukunftsfragen diskutiert, kooperieren, ist ebenso unklar und finanziell nicht gesichert.

Bei der Finanzierung der rund 750 Millionen Euro Baukosten hoffen Bund und Land auf private Beteiligungen, etwa von Anlegern und großen Banken wie der Deutschen Bank, die ihr Interesse bekundet hat, dort zu investieren. Schränken diese nicht das öffentliche Interesse und die öffentlichen Nutzungen zusätzlich ein?

Der Expertenkommission war immer klar, dass bei der gegenwärtigen Haushaltslage des Bundes und des Landes nicht zu erwarten ist, dass diese allein die Finanzierung übernehmen können. Es ist also notwendig, dass Private mitfinanzieren. Zugleich hat die Expertenkommission betont, dass bei der Partnerschaft mit Privaten sichergestellt werden muss, die Dominanz des Öffentlichen gegenüber dem Privaten zu wahren und zu garantieren.

Könnte der Bund als Bauträger dafür der Garant sein?

Es muss darauf geachtet werden, dass die institutionalisierte Bauträgerschaft auch dem Prinzip öffentlich vor privat folgt: eine Public-Private-Partnership bei Dominanz des Öffentlichen. Inwieweit die privaten Interessenten und deren Einlagen dies zulassen, wird sich zeigen.

Wann das Schloss gebaut wird, ob 2004, 2005 oder gar erst 2010, ist ungewiss. Was kann auf dem Gelände und mit dem Palast der Republik, der abgerissen werden soll, bis dahin geschehen?

Ich plädiere für die temporäre Zwischennutzung des gesamten Ortes. Der Palast und der Schlossplatz sollten als Orte für kulturell-kommunikative Zwecke bespielt werden. Leider hat der Bundestag von dieser Empfehlung der Expertenkommission bisher keinen Gebrauch gemacht.INTERVIEW: ROLF LAUTENSCHLÄGER

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