: Wowereit will Geld aus Brüssel
EU-Kommission soll künftig auch Stadtentwicklung in ihre Zielförderung aufnehmen, fordert der Regierende. Denn ab 2006 droht Berlin eine Mittelkürzung. CDU und Grüne: Bereitgestellte EU-Förderung bisher teils ungenutzt
Als amtierender Vorsitzender des Bundesrats weilt Berlins Regierender derzeit in Brüssel. Doch während der dreitägigen Visite geht es nicht nur um bundespolitische Themen, sondern auch um die Möglichkeit einer neuen EU-Förderung für Berlin. Dies erklärte die für Europaangelegenheiten zuständige Staatssekretärin Monika Helbig der taz.
„Die europäische Strukturförderung“, sagt Helbig, „ging bislang fast ausschließlich ins flache Land. Wir wollen nun erreichen, dass auch die Stadtentwicklung als Förderungsziel aufgenommen wird.“ Helbig räumte ein, dass man bei dieser Frage erst am Anfang steht. „Es gibt dazu noch nicht einmal eine einheitliche Position des Bundes.“
Doch die Zeit drängt. Noch bis 2006 läuft das derzeitige Fördersystem, das die strukturschwachen Regionen der EU in so genannte Ziel-1- und Ziel-2-Regionen aufteilt. In die höchste Förderstufe (Ziel-1-Region) kommen die Gebiete, deren Durchschnittseinkommen unter 75 Prozent des EU-Schnitts liegt. Dazu gehören derzeit Ostberlin und die neuen Bundesländer. Westberlin bekommt als Ziel-2-Region dagegen weitaus weniger Fördermittel aus den Strukturfondstöpfen EFRE und ESF.
Doch schon in vier Jahren, das weiß auch der Regierende Bürgermeister, wird die Förderlandschaft anders aussehen. Mit dem Beitritt von zehn neuen Staaten sinkt das europäische Durchschnittseinkommen, im Verhältnis dazu steigt dagegen das Einkommen in Ostdeutschland und Berlin. „Nach den bisherigen Kriterien würden dann nur noch Dessau und Chemnitz in den Genuss der Ziel-1-Förderung kommen“, sagt Volker Löwe, Leiter des Europareferats der Senatskanzlei. Mit einer Aufnahme der Stadtentwicklung in die Zielförderung würde man, so Löwe, auch der Tatsache Rechnung tragen, dass die meisten EU-Bürger in den Städten leben und eben nicht im ländlichen Raum, wo derzeit die meisten Mittel hinfließen.
Bislang wurden Stadtentwicklungsprojekte von der EU nur im Rahmen des Urban-Programms gefördert, in Berlin zum Beispiel der Kinderspielplatz Marie in Prenzlauer Berg. Als Zielförderung, hofft Löwe, würden da weitaus mehr Gelder fließen.
Doch die Neustrukturierung der Strukturförderung ab 2006 ist nur ein Aspekt, der in Zukunft verstärkt Geld aus Brüssel in die leeren Kassen Berlins spülen soll. Schon im vergangenen Jahr hatte die EU auf Druck von Erweiterungskommissar Günter Verheugen ein so genanntes Grenzlandförderprogramm aufgelegt, mit dem zusätzlich zu den Strukturförderungen grenznahe Regionen schon vor der Erweiterung unterstützt werden sollen. Unter den 23 Regionen in fünf Ländern, denen dafür 245 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, ist auch Berlin. Im Rahmen des Programms wird derzeit zum Beispiel die Kooperation von kleinen und mittelständischen Betrieben mit osteuropäischen Partnern gefördert. Das Volumen beträgt 10 Millionen Euro.
Manchen freilich geht das europapolitische Engagement Wowereits nicht weit genug. Der europapolitische Sprecher der CDU, Peter Kittelmann, bemängelte, dass der rot-rote Senat nicht einmal alle Mittel aus dem Strukturfonds nutze. So lägen insgesamt noch 115 Millionen Euro auf Brüsseler Konten. Sein Fazit: „Rot-Rot vernachlässigt Berlins Chancen in Europa.“
Die grüne Wirtschaftspolitikerin Lisa Paus schloss sich der Kritik an und betonte, dass es sich dabei auch um Gelder handele, die nicht kofinanziert werden müssten. Paus: „Das hat zum einen mit Anlaufschwierigkeiten der Programme zu tun, auf der anderen Seite auch mit dem Engagement des Senats. Gerade was das Grenzlandförderungsprogramm angeht, so Paus, müsse man immer wieder Druck machen. Schließlich seien dort die Widerstände besonders groß, auch beim EU-Nettozahler Deutschland. UWE RADA
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