: Wer will als Erster kein Fundi sein?
Die Union, Edmund Stoiber und die Homoehe: Ein Versuch in Sachen politischer Schadensbegrenzung
BERLIN taz ■ Vielleicht konnte es nur ein Politiker wie Heiner Geißler wagen, seiner Partei schon vor dem Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter den rechten, christlichen Weg zu weisen: Die Nötigungsversuche vom Kölner Erzbischof Joachim Meisner, dem Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber die unverheiratete Politikerin und Mutter Katherina Reiche madig zu machen, beantwortete der aus dem Bundestag scheidende (und deshalb unerpressbare) Politiker kühl. Er sagte, wer eine Partei wählen wolle, die den Vorstellungen katholischer Fundamentalisten nahe kommt, sei bei der Partei Bibeltreuer Christen am besten bedient.
Aber wer ist schon noch Heiner Geißler? Der tonangebende Politiker in der Bundestagsfraktion war ohnehin bislang der bayerische Abgeordnete Norbert Geis – ein Mann, der auf seiner Homepage Texte verbreitet, die Homosexualität an sich für nicht gesellschaftsfähig und Eingetragene Lebenspartnerschaften für ein sicheres Indiz des Untergangs der ehelichen, also der heterosexuellen Ordnung hält. Geis ist freilich seit gestern auch eine Figur vergangener Tage – der Fundamentalismus der Unionsparteien zur rechtlichen Gleichstellung Homosexueller hat seit dem Karlsruher Urteil ein Ende. Zunächst gab Bayerns Justizminister Manfred Weiß pflichtgemäß seine Enttäuschung zu Protokoll, dann aber, dass die Union im Falle eines Wahlsiegs das Gesetz nicht abschaffen wolle (was er sagen muss, denn bis zum 22. September kann sich niemand aus der Union leisten, die Homogemeinde zu beleidigen).
Edmund Stoiber betonte gestern zugleich, dass das nötige Ergänzungsgesetz – das die steuerlichen und zivilrechtlichen Rechte den im Partnerschaftsgesetz formulierten Pflichten beistellt – im Bundesrat seitens Bayerns keine Zustimmung finden wird.
Ebendieser Satz ist wörtlich zu nehmen, denn aus Bundesländern wie Hessen, dem Saarland und auch Hamburg gibt es mehr als nur vage Hinweise, dass man gegen das Partnerschaftsgesetz nichts mehr habe. Roland Koch, Peter Müller und Ole von Beust – allesamt regieren sie in Bundesländern mit gering homophober Beamtenschaft. Schon den kreuzzüglerisch gehandhabten Streit um den rechten Ort der Schließung einer Partnerschaft – Standesamt oder in einer anderen Behörde – haben diese Länder im Sinne der Gesetzgeber geregelt: Auf dem Standesamt werden Homoehen geschlossen, nicht wie in Bayern beim behördennahen Notar.
Mit anderen Worten: Die Union wird sich auf das Faktische einstellen, so wie es im Laufe der bundesdeutschen Geschichte nach weltanschaulichen Desastern stets geschehen ist – so war es bei den Ostverträgen, in der Frage des Paragrafen 218 und bei der zivilrechtlichen Gleichstellung von Ehefrauen im Außenverhältnis, und so wird es auch bei der Homoehe sein.
Schwerer wird es nun nur die brandenburgische Politikerin Katherina Reiche haben, die – so berichten es Parlamentskollegen aller Parteien – lebenspraktisch eine eher liberale Linie des „Alles ist möglich, wenn zwei sich einig sind“, vertrat, aber eben nach der Nötigung durch den katholischen Klerus (und entsprechenden Belehrungen durch die Stoiber-Entourage) erklärte, die klassische Ehe sei gottgegeben, was die Homoehe nicht sein könne. Nun wird es für sie schwierig: einerseits als moderne Frau positioniert worden zu sein, schließlich in ebendieser Hinsicht versagt zu haben – um jetzt die Realitäten zur Kenntnis nehmen zu müssen.
Geißler hat es da besser: Er muss auf niemanden mehr, weder auf Geis noch auf Meisner, Rücksicht nehmen.
JAN FEDDERSEN
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