: Karlsruher Handreichung
Die klagenden Unions-Länder schießen ein juristisches Eigentor: Sie erreichen vor Gericht ein homofreundliches Urteil
von CHRISTIAN RATH
Die Gleichstellung Homosexueller kann weitergehen – das ist das klare Signal der gestrigen Entscheidung aus Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht nur das bereits existierende Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften bestätigt. Es hat zugleich deutlich gemacht, dass eine weitgehende Angleichung der Homoehe an die Ehe von Mann und Frau zulässig ist.
Unmittelbar geprüft wurde in Karlsruhe aber nur das im August 2001 in Kraft getretene Partnerschaftsgesetz. Es ermöglicht schwulen und lesbischen Paaren, ihre Partnerschaft registrieren zu lassen und einen gemeinsamen Namen zu tragen. Das so verbundene Paar ist sich gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet und erhält unter anderem Schutzrechte im Miet-, Erb-, Strafprozess- und Ausländerrecht.
Gegen dieses Gesetz hatten jedoch Bayern, Thüringen und Sachsen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Doch ihr Argument, die Homopartnerschaft komme der im Grundgesetz besonders geschützten Ehe zu nahe, war von vornherein chancenlos. Schließlich haben die unionsregierten Länder im Bundesrat selbst dafür gesorgt, dass die zweite Hälfte des rot-grünen Reformpakets nicht in Kraft treten konnte. Eine Besserstellung von Homopaaren im Steuer- und Beamtenrecht ließ damit weiter auf sich warten. Von einer Gleichstellung mit der traditionellen Ehe kann also auch nach In-Kraft-Treten des Partnerschaftsgesetzes keine Rede sein.
Das Bundesverfassungsgericht ging jetzt aber noch weiter und definierte schon den Maßstab anders, als es die Union gerne gehabt hätte. Karlsruhe stellte klar, dass es gar kein „Abstandsgebot“ zwischen Heteroehe und Homopartnerschaft gebe. Das Grundgesetz enthalte keine Pflicht, „andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen“. Entscheidend sei, dass der Schutz der Ehe nicht beeinträchtigt werde. Das aber sei nicht der Fall, so das Urteil, denn „sämtliche eherechtlichen Regelungen haben unverändert Bestand“. Außerdem könne ein heterosexuelles Paar durch die Einführung der eingetragenen Partnerschaft auch kaum von einem Heiratswunsch abgebracht werden. Schließlich stehe die neue Rechtsform der eingetragenen Partnerschaft nur homosexuellen Paaren offen.
In einem Minderheitsvotum machte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier klar, was aus dieser Argumentation folgt: „Es gibt keinerlei Grenzen für eine substanzielle Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe.“ Ihm und zwei anderen konservativen Richtern im Ersten Senat ging das zu weit. Deshalb kam das Urteil nur mit 5 zu 3 Stimmen zustande. Getragen wird die Entscheidung an diesem zentralen Punkt nur von den Richtern, die einst von SPD, Grünen und FDP vorgeschlagen wurden. Doch auch aus der Mehrheitslinie ergibt sich keine Pflicht zur Angleichung der Homoehe an die traditionelle Ehe. Der Gesetzgeber kann diesen Schritt gehen, muss es aber nicht.
Freiheit räumt Karlsruhe dem Gesetzgeber auch in einem anderen Punkt ein. Die klagenden Länder hatten bemängelt, dass die neue Rechtsform nur Homosexuellen offen stehe, nicht aber anderen Paaren, die füreinander einstehen. Argumentiert wurde zum Beispiel mit zwei zusammenlebenden Geschwistern, die sich emotional und materiell unterstützen und auch im Rechtsverkehr gemeinsam auftreten. Hier stellte der Erste Senat mit einer Mehrheit von 7 zu 1 Stimmen fest, dass der Bundestag die Möglichkeit habe, solche „Einstandsgemeinschaften“ in das Partnerschaftsgesetz einzubeziehen, dazu aber nicht verpflichtet war. Von einer Pflicht des Bundestags, die das zu prüfende Gesetz verfassungswidrig gemacht hätte, ging nur die konservative Richterin Evelyn Haas aus.
Einstimmig lehnte das Gericht dagegen die Argumentation der CDU-Länder ab, das Gesetz sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Karlsruhe bekräftigte, dass die Aufspaltung einer Reform in zwei Gesetze zulässig ist, um wenigstens den im Bundesrat zustimmungsfreien Teil verwirklichen zu können. Die Kläger hatten darin eine Verletzung von Länderrechten gesehen. Die Richter akzeptierten auch, dass das Gesetz nach der Beschlussfassung im Bundestag in zwei Punkten redaktionell verändert wurde. Mit Hilfe der Gesetzesbegründung habe der gemeinte Inhalt zweifelsfrei festgestellt werden können.
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