Küsschen aus Karlsruhe

Bundesverfassungsgericht schmettert Union ab: Homopartnerschaften bleiben legal. Rot-Grün freut sich ebenso wie FDP und PDS. CDU/CSU lehnen weiterhin Ergänzungsgesetz ab

BERLIN taz ■ Die Union hat gestern vor dem Bundesverfassungsgericht eine schwere Niederlage erlitten. Ihre Klage gegen das Gesetz zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft, also gegen die Homoehe, fand vor den acht RichterInnen der Ersten Kammer keinen Rückhalt. Mit fünf gegen drei Stimmen erklärte das Gericht, das von der rot-grünen Koalition verantwortete Reformwerk sei nicht nur verfassungskonform zustande gekommen, sondern es sei auch grundgesetzgemäß. Der Artikel 6, der den Schutz von Ehe und Familie privilegiert, werde nicht angegriffen, wenn auf Dauer angelegte homosexuelle Partnerschaften mit einem eigenen familienrechtlichen Institut abgesichert werden.

Der Vorsitzende Richter Hans-Jürgen Papier sowie die Berichterstatterin Evelyn Haas sprachen sich freilich in Minderheitsvoten gegen das Urteil ihrer KollegInnen aus. Papier verwies vor allem auf das nicht definierte Abstandsgebot zur Ehe (und den Wertevorrang von auf Kindern angelegten Beziehungen), Haas wies obendrein darauf hin, eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft sei nicht auf Kinder angelegt und leiste daher keinen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit von Staat und Gesellschaft.

Beide konnten sich jedoch nicht gegen jene KollegInnen durchsetzen, die gemeinhin als der SPD, den Grünen oder der FDP nahe stehend gelten.

Der Spruch wurde von allen Parteien und ihren Politikern jenseits der Union begrüßt; Petra Pau von der PDS begrüßte für die PDS das Urteil, nur ihre Fraktionskollegin Christina Schenk äußerte sich ablehnend. Bundeskanzler Schröder ließ über seinen Sprecher ausrichten, seine Regierung sei überglücklich.

Die Union gab sich enttäuscht, akzeptierte das Urteil aber – notgedrungen. Kanzlerkandidat Edmund Stoiber kündigte jedoch an, dass das Ergänzungsgesetz im Bundesrat trotzdem keine Chance habe. Kardinal Lehmann kritisierte namens der katholischen Kirche den Urteilsspruch – auch dies keine Überraschung. Norbert Geis, Wortführer der Union im Bundestag gegen das Gesetz, sagte, Homoehen seien ein Angriff gegen die Ehe.

Volker Beck von den Bündnisgrünen, Promoter des Reformwerks seit Anfang der Neunzigerjahre, wies die Kritik der Union und der Verfassungsrichter Papier und Haas zurück: Die Lebensrealität sei anscheinend noch nicht bei allen Unionspolitikern und Verfassungsrichtern angekommen. Es gebe etwa lesbische Partnerschaften mit vier Kindern. „Diese leisten doch mehr für die Gesellschaft als etwa die kinderlose Frau Merkel mit ihrem Mann.“ JAN FEDDERSEN

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