: Raus aus der Haftungsfalle
Vorm ICC protestieren rund 300 Menschen gegen die Bankenpolitik. „Initiative Berliner Bankenskandal“ kündigt erneut „Spaziergänge“ zu Verantwortlichen in Dahlem an
Hoch oben am ICC prangte ein riesiges blaues Plakat: Berliner Bankgesellschaft – Hauptversammlung 2002. Weit tiefer, auf dem kalten Boden der Wirklichkeit, lag ein Demonstrant als Berliner Bär verkleidet. In Lumpen gekleidet auf einer Trage, mit Blutinfusion und Kopfverband. Um ihn herum hatten sich etwa 300 Berliner eingefunden, um gegen die Last zu protestieren, die dem Land Berlin durch die Risikoübernahme von bis zu 21,6 Milliarden Euro aufgebürdet worden war.
Es war eine illustre Menge, die dem Aufruf „Protest gegen die Risikoübernahme“ der „Initiative Berliner Bankgesellschaft“ gefolgt war. Ob jung oder alt, Hochschullehrer oder Handwerker, in alternativen Klamotten oder in Anzug gekleidet, eines hatten sie gemeinsam: sie wollten nicht länger wie ohnmächtig und stumm zusehen, wie die Last im Zuge des Bankenskandals stetig wächst. Der Mitbegründer der Protestinitiative, Politologieprofessor Peter Grottian, fasste die Stimmung in Worte: „Viele sagen sich, es lohnt sich einfach nicht, sich dagegen zu organisieren.“ In zwei Monaten, so Grottian, werde die Initiative vier- bis fünfmal so stark sein. „Es gibt Wege aus der Haftungsfalle.“
Grottian begründete die Veröffentlichung von Namen von Fondszeichnern mit der drastischen Situation. Das Bankgeheimnis sei nicht gebrochen worden, da die Namen dem öffentlichen Handelsregister entnommen wurden. Auch hielt Grottian am Vorhaben fest, im August „auf Spaziergängen“ Verantwortliche in Dahlem und Grunewald „zu besuchen“.
Anschließend ging Grottian mit den Parteien hart ins Gericht. Die Justizsenatorin Schubert (SPD) gebe sich zwar Mühe bei der strafrechtlichen Verfolgung, doch zeige die SPD aufgrund ihrer eigenen Beteiligung am Aufsichtsrat der Bankgesellschaft wenig Energie zur Lösung der „Haftungsfalle“. Die PDS nutze ihre Möglichkeiten der Einflussnahme nicht aus, die CDU sei noch tief drin im Sumpf, und auch die Grünen präsentierten keine Lösungskonzepte.
Birger Scholz von Attac warnte vor einem Verkauf der Bank: „Der Investor will sich die Filetstücke herausreißen, anschließend werden 80 Prozent der Angestellten entlassen.“ Er ermutigte die Bevölkerung zu Protesten. Als Beispiele führte er Düsseldorf und Münster an: dort sei der Verkauf der Stadtwerke geplant gewesen und konnte durch Proteste verhindert werden.
Im so genannten Speaker’s Corner kamen die Versammelten zu Wort. Eine ehemalige Bankangestellte beklagte die Entwertung ihrer Mitarbeiteraktien, die sie als Rente vorgesehen habe. Eine Großmutter sah keine Zukunft für ihr Enkelkind, und ein Vertreter der Berliner Kindertagesstätten kündigte an, zusammen mit seinen Kindern auf „Spaziergang in den Grunewald“ zu gehen. WOLF VON DEWITZ
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