: Prominenter Betrüger
Vor dem Landgericht beginnt der Prozess gegen den Arzt Tammo Bialas, der Patienten betrogen haben soll
Immer noch steht die Anzeige im Telefonbuch: „Ärztlicher Notdienst“, heißt es dort, „Arztnotruf Tag und Nacht“. Seit Mai aber ist die Nummer unbesetzt. Seit der Arzt Tammo Bialas wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges zunächst in Untersuchungshaft kam, dann nur gegen Rückgabe seiner Approbation wieder in Freiheit. Heute beginnt vor dem Landgericht der Prozess gegen den Mediziner, dem die Staatsanwaltschaft Betrug in 8100 Fällen vorwirft. Rund 365.000 Euro soll er sich mit falschen Abrechnungen ergaunert haben.
Schon als der Notdienst noch existierte, waren Kranke nicht gut beraten, ausgerechnet die Notrufnummer von Bialas zu wählen. Kein Wort steht in der Anzeige davon, dass er seinen Rund-um-die-Uhr-Service als Privatarzt betrieben hatte: Dass nicht die Krankenkassen, sondern die PatientInnen selber ihnzu bezahlen hatten. Schon deshalb kam in den vergangenen Jahren mehreren tausend Menschen in Hamburg ihre Erkrankung teuer zu stehen. Dass dem Arzt die Kassenzulassung fehlt, merkten viele erst, als sie eine privatärztliche Rechnung bekamen.
Außerdem rechnete Bialas laut Anklage Leistungen ab, die er gar nicht erbracht hatte. Mehrfach kassierte er demnach bei PatientInnen, die ihn nur wegen einer einfachen Grippe gerufen hatten, zusätzlich für eine „psychiatrische Behandlung“. In einem anderen Fall sollte ein Familienvater für Bialas Anfahrt zu seinem kranken Sohn Fahrtkosten für 78 Kilometer erstatten. Der Notdienst lag von der Wohnung des Patienten knappe zehn Kilometer entfernt.
Seit 1997 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Arzt. Dreimal wurden seine Wohnung und die Geschäftsräume durchsucht. Ende April dann wurde er festgenommen. Sechs Wochen saß er in Untersuchungshaft.
Der Präsident der Hamburger Ärztekammer hatte schon nach der dritten Durchsuchung bei Bialas im Februar gefordert, dem zwielichten Kollegen die Approbation zu entziehen. Schweren Herzens sicherlich. Denn Tammo Bialas ist der Sohn von Rolf Bialas - ehemaliger Hamburger Bausenator und Präsident der Ärztekammer. ELKE SPANNER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
