„Grandiose Fehler“ der Union

Der Naturschutzbund hält die umwelt- und agrarpolitischen Pläne von Union und FDP für indiskutabel und gefährlich. Trittin sei bester Umweltminister aller Zeiten. Die Ökosteuer soll weiter steigen, ihre Einnahmen aber nicht mehr in die Rente fließen

von HANNES KOCH

Massive Kritik an den Konzepten von Union und FDP in der Umwelt- und Landwirtschaftspolitik übte gestern der Vorsitzende des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), Jochen Flasbarth. Eine „Rolle rückwärts“ und einen „grandiosen politischen Fehler“ sieht der Nabu-Chef in den Plänen von CDU-Agrarpolitiker Peter Harry Carstensen. Die Verschiebung der Agrarreform der Europäischen Union auf 2007, die Carstensen vorschlage, stelle „eine Sackgasse für die Landwirtschaft“ dar, so Flasbarth.

Carstensen, Landwirt aus Nordfriesland, wurde von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber unlängst als zukünftiger Landwirtschaftsminister ins Gespräch gebracht. Mit den Plänen von EU-Agrarkommissar Franz Fischler kann der CDU-Politiker nicht viel anfangen. Fischler will das Subventionssystem der EU umgestalten, und zwar möglichst schnell: Die Bauern sollen weniger Zahlungen für Produktionsmengen erhalten, um die Überproduktion und Geldverschwendung einzudämmen. Außerdem werden die Zahlungen für Betriebe in Zukunft an die ökologische Qualität der Produkte und auch den Tierschutz gekoppelt. CDU-Agrarexperte Carstensen bemängelt, dass mit derartigen Plänen die konventionelle Landwirtschaft unter Druck gesetzt werde. Nabu-Präsident Flasbarth dagegen hält die schnelle Agrarwende für unbedingt notwendig: Ohne die Neuregelung der Subventionen sei auch der Beitritt neuer EU-Mitglieder wie Polen und Tschechien gar nicht zu bezahlen.

Agrarministerin Renate Künast (Grüne) nannte Flasbarth einen „Glücksfall für Landwirtschaft und Umwelt“. Mit ihrer Legehennen-Verordnung sei sie dabei, der Tierquälerei auf den Bauernhöfen ein Ende zu bereiten. Der Nabu-Präsident bemängelte allerdings, dass der Bau von riesigen Tierställen auf der grünen Wiese weitergehe. Hier müsse in der nächsten Legislaturperiode dringend das Baurecht geändert werden.

Für indiskutabel hält der Chef des Naturschutzbunds, dass die FDP das neue Naturschutzgesetz von Bundesumweltminister Jürgen Trittin im Wesentlichen ablehnt. „Dafür fehlen mir die Worte“, sagte Flassbarth, der als Nabu-Chef selbst über ein Jahrzehnt für einen besseren Naturschutz gekämpft hatte. Skeptisch beurteilte Flasbarth auch die Haltung von Kanzlerkandidat Stoiber, die Umweltpolitik in Zukunft überwiegend auf freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft zu gründen. Das könne nur ein Instrument unter mehreren sein, sagte der Nabu-Chef. Die Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 lasse sich nicht nur mit freiwilligen Vereinbarungen erreichen, dafür seien auch Gesetze notwendig.

Die Umweltpolitik der rot-grünen Regierung erhielt vom Nabu in einem bilanzierenden Rückblick auf die vergangenen vier Jahre meist gute Noten. Flasbarth: „Jürgen Trittin ist Deutschlands erfolgreichster Umweltminister“ aller Zeiten. Als Erfolge nannte der Naturschützer den angepeilten Ausstieg aus der Atomenergie und den Klimaschutz.

Zum Thema „Ökosteuer“ schlägt Flasbarth vor, die Einnahmen in Zukunft nicht mehr in das Sozialversicherungssystem zu stecken, um die Rentenbeiträge zu stabilisieren. Das könne die Sanierung des Sozialsystems verhindern. Besser sei es, die Einkommensteuer zu senken. Flasbarth sprach sich für weitere Erhöhungen der Ökosteuer und damit auch weiter steigende Benzinpreise aus.

Auch die anderen großen Umweltverbände wie BUND und Deutscher Naturschutzring hatten in der umweltpolitischen Bilanz von Rot-Grün mehr Licht als Schatten entdeckt.