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Weitere Flutopfer evakuiert

Bei Wittenberg brechen mehrere Deiche und verwandeln die Elbauen in ein Seengebiet. Bundesregierung will offenbar zur Finanzierung des Wiederaufbaus die zweite Stufe der Steuerreform verschieben und so sieben Milliarden Mark freimachen

BERLIN taz/dpa/ap ■ Die Flutkatastrophe in Ostdeutschland nimmt immer dramatischere Dimensionen an. Gestern hat die Elbe in Sachsen und Sachsen-Anhalt ganze Landstriche in riesige Seenlandschaften verwandelt.

Die Bundesregierung will nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters zur Finanzierung des Wiederaufbaus die zweite Stufe der Steuerreform von 2003 auf 2004 verschieben. Damit könnten 7 Milliarden Euro freigestellt werden. Bundeskanzler Schröder wollte am gestrigen Abend Einzelheiten erläutern.

Im Kreis Wittenberg brachen die Deiche gleich an mehreren Stellen. Dort mussten 40.000 Menschen ihre Häuser verlassen. Auch die Stadt Wittenberg ist zunehmend betroffen. Die historische Altstadt wird aber wasserfrei bleiben.

Die Behörden ordneten die Evakuierung der zehn Kilometer von der Elbe entfernten Stadt Annaburg an. Auch Teile des Gartenreichs Dessau-Wörlitz, eines Weltkulturerbes der Unesco, sind bedroht. In Dessau überflutete die Mulde nach einem Dammbruch einen Ortsteil der Stadt vollständig. In Bitterfeld ging das Wasser dagegen erstmals zurück. Auch im brandenburgischen Mühlberg hielten die Deiche.

Die Zahl der Toten erhöhte sich gestern auf 15. Derzeit werden 26 Menschen vermisst.

Derweil rüsten sich die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein für die heranrollende Flutwelle. Die Strömungsgeschwindigkeit der Elbe hat sich wesentlich erhöht, sodass schon für den gestrigen späten Abend mit Überflutungen bei Magdeburg gerechnet wurde.

Der Eisenbahnknotenpunkt Magdeburg und damit weite Teile des Bahnverkehrs in Ostdeutschland wurden bereits lahm gelegt. Züge aus Berlin können die Hauptstadt Sachsen-Anhalts nicht mehr erreichen. Die Wassermassen steigen schneller als erwartet. Genaue Prognosen sind nicht möglich, weil viele automatische Pegelmessstellen an der Elbe ausgefallen sind. Die Bundeswehr hat inzwischen rund 19.000 Soldaten im Einsatz.

In Sachsen gingen die Pegelstände unterdessen weiter zurück. Nach ersten Schätzungen sind dort 740 Kilometer Straße und 180 Brücken zerstört worden. Diese Erhebungen schließen jedoch das Elbtal noch nicht ein. Die Bahn musste 538 Kilometer Schienenweg stilllegen – etwa 20 Prozent des sächsischen Netzes. Immerhin konnten vom Dresdner Hauptbahnhof wieder die ersten S-Bahnen fahren.

Das Bundeskabinett beriet am Nachmittag über die Hochwasserhilfe. Bundesfinanzminister Eichel (SPD) sprach sich bei der Finanzierung gegen jede Form von Zwangsabgabe für die Bevölkerung aus. Auch aus den zugesagten Mitteln des Solidarpakts II für Ostdeutschland sollten keine Gelder für den Wiederaufbau entnommen werden.

Die EU-Kommission hat noch keine konkreten Summen für die Hochwasserhilfe festgelegt. KLH

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