deutsche militärpolitik
: Nach der Wahl ist vor dem Krieg

Äußerungen im Wahlkampf werden grundsätzlich – auch – unter taktischen Gesichtspunkten beurteilt. Wenigstens in diesem Zusammenhang lassen sich die verschiedenen Haltungen zum drohenden Irak-Krieg derzeit leicht analysieren. Edmund Stoiber ist aus seiner Sicht vermutlich gut beraten, sich mit Gemeinplätzen durchzulavieren, die irgendwie um die UNO, die Verbündeten und seine ganz allgemein große Entschlossenheit kreisen. Wenn der Ministerpräsident die Wahlen gewinnt, dann gewiss nicht wegen seiner überzeugenden Außenpolitik. Deshalb gilt für ihn: Bloß nichts sagen, was sich nicht in jede beliebige Richtung hin interpretieren lässt.

Kommentarvon BETTINA GAUS

Anders stellt sich die Lage für Gerhard Schröder dar. Immerhin bestimmt der SPD-Kanzler seit vier Jahren die Richtlinien deutscher Außenpolitik. Wenn er jetzt in ungewöhnlich deutlichen Worten einen möglichen US-Angriff auf Bagdad ablehnt und zugleich von einem „deutschen Weg“ spricht, dann mag er dabei – auch – von der Hoffnung beflügelt werden, er könne Stimmen linker Kriegsgegner und rechter Deutschnationaler gleichermaßen einsammeln. Die einen sind gegen militärische Abenteuer, die anderen gegen eine enge europäische Kooperation. Das trifft sich.

Der Außenminister hat lange gebraucht, um sich öffentlich der Ansicht seines Chefs anzuschließen. Joschka Fischer wird wissen, dass die Grünen nicht mehr hoffen dürfen, mit militärkritischen Äußerungen punkten zu können. Nach dem Kosovokrieg ist deren Verlust an Glaubwürdigkeit allzu groß. Gerhard Schröder kann für sich wenigstens in Anspruch nehmen, die deutsche Beteiligung an diesem Angriffskrieg ohne UN-Mandat schon vor den letzten Bundestagswahlen nicht grundsätzlich ausgeschlossen zu haben. Das gilt für Fischer nicht.

Aber es gibt noch ein Leben nach der Wahl. Darin wird es um einen furchterregenden Paradigmenwechsel gehen. Die US-Regierung hat einen „Präventivkrieg“ angekündigt, der dem einzigen Ziel dienen soll, einen missliebigen Regierungschef zu stürzen. So weit hat sich Washington bisher weder im Zusammenhang mit Nicaragua noch mit Kuba oder auch mit Jugoslawien vorgewagt. Wenn das geht – dann geht alles. Zur Hölle mit dem Völkerrecht. In den Medien hat Schröders Kritik am US-Kriegsziel ein erstaunlich geringes Echo gefunden. Dabei steht mehr auf dem Spiel als ein nationaler Wahlerfolg. Auf dem Spiel stehen die Grundlagen des politischen Koordinatensystems.