: Bloß keine Feier
Ein Jahr nach dem 11. September wieder Medienrummel an der TU Harburg. Professor erinnert sich noch einmal an den Studenten Atta
von KAIJA KUTTER
In der Mensa dominiert ein neues Thema. Als Spende für die Hochwasseropfer werden für vier Wochen die Preise erhöht. Kein Hinweis auf den 11. September. Eine Gedenkfeier am Jahrestag wird es nicht geben. „Die ausländischen Studierenden haben uns gebeten, darauf zu verzichten“, berichtet Peter Stählin vom Asta der Technischen Universität (TU) Harburg. „Die befürchten, dass wieder die Medien kommen.“ Ein TV-Sender hat mit einem aktuellen Bericht bewirkt, dass sie die Presse fürchten.
Routiniert dagegen der Umgang der Hochschulleitung mit dem Rummel. Im vierten Stock des Hauptgebäudes drängelten sich gestern zahlreiche Kamera-Teams. Wenige Tage vor dem Jahrestag des 11. Septembers ist Dittmar Machule, Professor für Stadtentwicklung, noch einmal bereit, über seine Zeit mit Mohammed Atta, dem mutmaßlichen Drahzieher des Anschlags auf das World-Trade-Center, zu sprechen.
„Eigentlich ist seit dem Herbst vergangen Jahres schon alles gesagt“, leitet Pressesprecher Rüdiger Bendlin den Termin ein. Aber die Medien brauchen frische Aufnahmen, wollen die Frage, „wie denken Sie ein Jahr danach?“ beantwortet wissen.
Bekanntlich hat Mohammed Atta bis 1999 bei Machule studiert, seine Diplomarbeit über Stadtplanung im syrischen Aleppo mit der Note 1,7 abgeschlossen. Der Student sei ihm positiv aufgefallen, weil er sich bewusst nicht der westlichen Kultur anpasste und zugleich „kein Anzeichen von Antiamerikanismus und Antizionismus zeigte“, sagt Machule. Niemals zuvor sei er so getäuscht worden.
Das Leben an der TU habe sich seitdem nicht verändert. „Unsere Verwickeltheit war zu sehr undercover“, als dass sie den Alltag heute präge. Deshalb spreche er auch ganz bewusst von zwei Personen, Mohammed el Amir, dem aufgeschlossenen, intelligenten Studenten der Stadtplanung, und Atta, „von dem wir nur dieses eine Passbild kennen“. Das Vertrauen in seine Menschenkenntnis habe einen harten Stoß bekommen. „Aber ich bilde mir ein, dass ich noch genauso auf Menschen zugehe wie früher“. Manche TU-Mitarbeiter, so Bendlin, befinden sich in psychologischer Behandlung, weil sie genau damit Probleme haben – zu Studierenden Vertrauen zu finden.
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