Römisch-germanische Symbiose

betr.: „Ist Amerika das neue Rom?“, taz.mag vom 31. 8./1. 9. 02

Sie erwecken in Ihrem Artikel an manchen Stellen den Eindruck, die germanischen Völker hätten das Römische Reich „bestürmt“, um es zu zerstören. Diese Vorstellung bedient zwar auch das traditionelle Bild des Verhältnisses von Römern und Germanen, hat aber mit den Erkenntnissen der jüngsten Forschung nur noch wenig gemein (unter anderen Herwig Wolfram und Walter Pohl).

Natürlich gab es Bestürmungen des Römischen Reiches durch germanische Völker; Plünderungs- und Raubzüge ins Reichsgebiet (160–180 und im 3. Jhd.), die jedoch mit den Herrschaftsgründungen auf römischem Reichsboden ab dem 5. Jahrhundert nichts zu tun haben. Diese erfolgten aufgrund von Verträgen mit dem Römischen Reich, und die germanischen Staatsbildungen übernahmen die römische Verwaltung (oft auch römische Titel und Insignien), tasteten das Leben der romanischen Bevölkerung nicht an. Angesichts der zahlenmäßigen Unterlegenheit der Germanen gegenüber der einheimischen Bevölkerung (ein Anteil von vermutlich nur 2 Prozent) hätte ihnen das auch nur schwerlich gelingen können. Ihnen fehlte jedoch auch das Bestreben, Rom zerstören zu wollen. Die Germanenreiche gelten nach neuer Forschung als reguläre römische Institutionen: Das Westreich war aus Finanznot gezwungen gewesen, Aufgaben an Germanen zu übertragen. So auch die Staatsverwaltung.

Sie weisen auf die immer stärker gewachsene Angleichung von Germanen und Römern durch kulturellen und wirtschaftlichen Austausch hin, beharren jedoch letztendlich auf den angeblichen Unterschieden: hier Rom / dort die germanischen Völker. Ich gehe von einer stärker erfolgten Symbiose aus. Ihr Artikel verzerrt das Bild des Verhältnisses Rom-Germanen und der germanischen Herrschaftsbildung. ANDREAS KUTTNER, Stuttgart

Das Wagnis, über Jahrtausende hinweg eigentlich unvergleichliche geschichtliche Entwicklungen phänomenologisch zu betrachten, verdient Respekt. Das Fazit Ralph Bollmanns allerdings, Peripherie und Zentrum des US-Imperiums sollten sich integrativ zeigen und US-Unternehmen leisteten einen „wichtigen Beitrag zur Begrenzung von Kriegen“, ist beunruhigend naiv: Bekanntermaßen verhindern USA und EU mit Schutzzöllen den freien Handel zum Schaden der ärmeren Länder, die weltweit herrschenden Wirtschaftseliten führen Krieg um Märkte und Rohstoffe.

Der Beitrag beschönigt die Machtinteressen der militärischen und wirtschaftlichen Eliten der heutigen „Ersten Welt“ und endet mit dem klassischen abendländischen Irrtum, es habe rund ein Jahrtausend gedauert, bis die Europäer das Niveau der antiken Zivilisation wieder annähernd erreicht hätten. So unterschlägt Bollmann die Hochkulturen auf Sizilien und der Iberischen Halbinsel im europäischen Hochmittelalter. Träger dieser Kulturen waren – die Araber. JENS-EBERHARD JAHN, Leipzig