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„Ich bleibe, wie ich bin“

Joschka und Joseph Fischer über Krieg und Frieden. Ein Streitgespräch

„Ich hoffe, dass es immerwieder Leute gibt, die mirauch sagen, hier Alter,nun ist es mal genug.“

taz: Herr Fischer, wäre es nicht in der aktuellen Lage die Aufgabe der Grünen, die Friedensbewegung wieder wachzurütteln? In Ihrem Parteiprogramm heißt es: „Bündnisgrüne Außenpolitik hat sich entwickelt aus den Traditionen der Friedensbewegung … Wir setzten uns für umfassende Abrüstung, für inneren und äußeren Frieden, für gewaltfreie Konfliktlösungen ein.“ Gilt das für die Gegenwart nicht mehr?

Joschka Fischer: „Zum ersten Mal hat man es jetzt nicht mehr mit der Verteidigung des eigenen Landes zu tun, sondern es wird mit kriegerischen Mitteln Geopolitik gemacht. Dazu sagen wir Grünen ein klares Nein. Wir brauchen jetzt ein Erwachen der Friedensbewegung.“

Joseph Fischer: „Der Einsatz ist ganz gewiss nicht ohne Risiken und Gefahren, vor allen Dingen für die eingesetzten Soldaten. Es gibt auch keine Garantie für den Frieden. In der Abwägung überwiegen jedoch eindeutig die Argumente für eine deutsche Beteiligung.“

Joschka Fischer: „Dieses Land Schritt für Schritt in eine Situation zu führen, wo der Krieg nicht nur als ein Abstraktum am östlichen Horizont steht, dagegen muss aufgestanden werden – friedlich, gewaltfrei, selbstverständlich!“

Unter Ihrer Führung haben die einst radikalen Pazifisten eine ebenso radikale Kehrtwende vollzogen. Und spätestens auf dem Rostocker Parteitag nach dem 11. September war klar: „Ja“ zur Macht heißt auch „Ja“ zum Krieg. Bedeutet das nicht einen herben Verlust der Glaubwürdigkeit?

Joschka Fischer: „Man setzt nicht auf Verständigung, sondern auf militärische Stärke. Welch absurde, welch tödliche Verblendung!“

Joseph Fischer: „Krieg ist widerwärtig, und es gibt keinen klinisch sauberen Krieg. Insofern verstehe ich all die Skrupel.“

Joschka Fischer: „Was ich befürchte, ist, dass jetzt die uralte Konfrontation zwischen dem Westen und dem Islam durch einen Krieg, selbst wenn man von Saddam Hussein bald nicht mehr sprechen wird, zu einer säkularen militärischen Konfrontation wird. Es ist doch irre, da sehenden Auges reinzulaufen, nur weil man das Gefühl hat, der darf so einfach nicht davonkommen.“

Joseph Fischer: „Sie glauben, die Gefahren lassen sich durch strikt gewaltfreie Reaktionen begrenzen und aus der Welt schaffen? Wenn das ginge, dann wäre ich auch dafür!“

Joschka Fischer: „Mir ist jeder hilflose Pazifismus lieber als militante Realpolitik. Da liegt die grundsätzliche Differenz zwischen uns.“

Lange Zeit waren die Grünen ein liberales Korrektiv für den Koalitionspartner. Gefällt Ihnen diese Haltung nicht mehr?

Joschka Fischer: „Die Grünen sind als der parlamentarische Arm verschiedener Minderheiten und minoritärer Bewegungen und Subkulturen entstanden und werden von dieser Gegenkultur getragen. Diese Grundlage darf kein noch so zwingendes parlamentarisches Bündnis in Frage stellen.“

Joseph Fischer: „Die wahre Stärke liegt darin, Kompromisse schließen zu können.“

Joschka Fischer: „Für eine erfolgreiche Koalition ist es wichtig, dass die Grünen ihr eigenes Realitätsprinzip ausbilden, anstatt es sich von den Sozialdemokraten vorsetzen zu lassen. Solange halten wir uns in selbst verschuldeter Abhängigkeit.“

Also Schluss mit Schmusen?

Joseph Fischer: „Ich habe immer meinen eigenen Kopf gehabt. Deshalb bin ich auch bei den Grünen und in keiner anderen Partei. Mich gibt’s ohne meinen Dickschädel nicht.“

Joschka Fischer: „Ich bin da vielleicht ein zu altmodischer Linker, aber ich wünsche mir die Partei als politischen Regenerationsquell, wo man aus einem Gefühl der Solidarität heraus auch mal in den Arm genommen wird.“

Bei der Bundestagswahl gilt es, das Ergebnis von 1998 (6,7 Prozent) deutlich zu übertreffen. Was glauben Sie, wie sehr hängt das Wahlergebnis der Grünen von Ihrer Person ab?

Joseph Fischer: „Wenn Ihr Fischer wollt, müsst Ihr Grün wählen!“

Joschka Fischer: „Bei allem Frust: Ich bitte um euer Vertrauen!“

Joschka Fischer: „Mir dämmert so langsam, wie wir aus einer ähnlichen Biografie heraus zu recht anderen politischen Positionen kommen. Aus deinen Worten spricht die Einsicht: Ich habe auf der falschen Seite gekämpft. Heute kämpfst du für die Repräsentative. Die Frage ist, auf welcher Seite kämpfe ich jetzt?“

Wenn Sie zurückblicken auf vier Jahre als Außenminister: Hat diese Machtposition Sie menschlich verändert?

Joseph Fischer: „Ich bin, wie ich bin, und werde weiterhin so bleiben.“

Joschka Fischer: „Ich hoffe, dass eine gesunde Distanz zwischen der öffentlichen Figur und dem Menschen Joschka Fischer, also mir selbst, dass mir die erhalten bleibt. Ich hoffe, dass es da immer wieder Leute gibt, die mir auch sagen, hier Alter, nun ist es mal genug. Und nun komm wieder auf den Teppich oder lass es am Ende ganz sein.“

Herr Fischer, Herr Fischer, vielen Dank für das Gespräch.

Beide: „War ich gut?“

INTERVIEW: TANJA KOKOSKA

Alle Zitate von Joschka und Joseph Fischer aus den Jahren 1980 bis 2002.

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