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Eine Lokalzeitung macht Weltpolitik

Wie das „Schwäbische Tagblatt“ seine Berichterstattung über die Lokalmatadorin Däubler-Gmelin rechtfertigt

BERLIN taz ■ So viel Interesse am Schwäbischen Tagblatt war nie: In der Debatte um Herta Däubler-Gmelins Aussagen über Bush ist die kleine Tübinger Zeitung zum Spielball der großen Politik geworden. Dabei hätte das Blatt, das seine überregionalen Seiten von der eher konservativen Südwest Presse bezieht, aber einen studentisch-liberalen Lokalteil macht, so gerne nur Gutes über die Tübinger Direktkandidatin geschrieben. Schließlich hatte Redaktionsleiter Christoph Müller Däubler-Gmelin „bereits vor einer Woche briefwählend“ seine Stimme gegeben, wie er gestern im Blatt erklärte.

Doch stattdessen fühlen sich die Redakteure nun unter Rechtfertigungsdruck: Däubler-Gmelin hatte vor IG-Metallgewerkschaftern in einer Sportgaststätte gesprochen, was zur Tagblatt-Schlagzeile „Bush will ablenken – Däubler-Gmelin: Beliebte Methode seit Hitler“ geführt hatte. Nun berichtet das Blatt: Redakteur Michael Hahn habe „ihre Sätze in der Diskussionsveranstaltung getreulich mitgeschrieben. Als im Zusammenhang mit Bush das Wort Hitler fiel, regte sich Unruhe unter den Zuhörern. Die Redaktionskonferenz, der Hahn noch ganz unter Schock davon berichtete, verstand die Welt nicht mehr. Zwar wissen alle in Tübingen, dass die durchaus liebe- oder zumindest respektvoll ‚Schwertgosch‘ genannte Ministerin, wenn sie sich gereizt fühlt (…), ohne Rücksicht auf Verluste vom Leder zieht (…).“ Doch das habe man nicht erwartet.

Aufgrund der Brisanz und der Bauchschmerzen der Redaktion wurde beschlossen, dass sich Hahn sicherheitshalber rückversichert. „Das Ergebnis war peinliche Verlegenheit bei den Befragten (…) aber die Sache mit dem Adolf sei unüberhörbar so gewesen“, so Müller im Tagblatt. Es habe ein Treffen von leitenden Tagblatt-Redakteure mit Däubler gegeben, berichtete Müller: „Wir machten ihr klar, dass wir es als unsere Journalistenpflicht verstehen, über den Vorfall zu berichten. (…) Was soll ein Journalist in so einem Fall tun? Darf, soll, kann er eine Politikerin vor sich selbst schützen? Kann öffentlich Gesprochenes ungesprochen gemacht werden? Und darf politische Nähe oder Sympathie dabei entscheiden?“ STG

Zum Weiterlesen: www.tagblatt.de

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