Schröders Soll-Alles-Könner

Wolfgang Clement (SPD) wird Superminister in Gerhard Schröders Kabinett. Er soll sofort sämtliche Probleme Deutschlands auf den Gebieten der Wirtschaft und Arbeitslosigkeit lösen

BERLIN taz ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat es wieder einmal geschafft, mit einer Personalentscheidung mehr Wirbel zu verursachen als mit allen bisherigen rot-grünen Koalitionsverhandlungen zusammen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) wird auf Wunsch des Kanzlers Chef eines neu zu schaffenden Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Das wurde am gestrigen Montag in Berlin bekannt.

Schröder ist es mit dieser Entscheidung gelungen, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Er holt sich mit dem unideologischen Macher Clement einen „Superminister“ ins Kabinett, dem er zutraut, die vielen ungelösten Probleme der rot-grünen Regierung in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik zu bewältigen. Gleichzeitig hat sich Schröder einigermaßen elegant der glanzlosen Minister Walter Riester (Arbeit) und Werner Müller (Wirtschaft) erledigt. Er tat das natürlich nicht, ohne die beiden gestern noch einmal für ihre hervorragende Arbeit in den vergangenen vier Jahren zu loben.

Außerdem hat Schröder mit Clement die personellen Ansprüche des starken nordrhein-westfälischen SPD-Landesverbandes befriedigt. Das gibt ihm mehr Spielraum beim Nachdenken über die Zukunft der bisherigen Minister Kurt Bodewig (Verkehr) und Ulla Schmidt (Gesundheit), die beide aus Nordrhein-Westfalen stammen. Die ostdeutschen Sozialdemokraten fordern einen Minister aus ihren Reihen in Schröders Kabinett, am liebsten wäre ihnen ein Infrastrukturminister als Nachfolger für Bodewig. Und schließlich hat der Bundeskanzler mit Clement einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten in sein Kabinett eingebunden, der sich nur ungern der Parteidisziplin gebeugt hat. Mit seinen Alleingängen, vor allem im Bundesrat, war Clement für Schröder und dessen Bundesregierung mehr und mehr zum Problem geworden. Mit dem zusammengelegten Ministerium und einer automatisch verkleinerten Regierung dürfte sich auch der Anspruch der Grünen auf einen vierten Ministerposten erledigt haben. Das entscheidende Gespräch zwischen Schröder, Clement und dem SPD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Harald Schartau, hatte gestern Vormittag im Kanzleramt in Berlin stattgefunden. Dabei wurde auch die Nachfolge für Clement im Amt des Ministerpräsidenten beredet. Clements Bedingung für einen Wechsel nach Berlin war es wohl, dass der bisherige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sein Nachfolger wird. Er gilt jetzt als aussichtsreichster Kandidat. Clements Kronprinz, Harald Schartau, kann das Amt des Ministerpräsidenten nicht übernehmen. Er ist nicht, wie es die Landesverfassung für einen solchen Fall vorsieht, Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Das SPD-Präsidium in Düsseldorf wollte am Montagabend die Lage nach Clements Berufung beraten.

Unklar blieb am gestrigen Tag, wie der genaue Zuschnitt des neuen Superministeriums aussehen soll. Trotzdem nahmen die Grünen die Entscheidung ihres Koalitionspartners     positiv auf. Grünen-Chef          Fritz Kuhn bezeichnete Clement als einen „aufgeklärten Modernisierer“. Die geplante Zusammenlegung von Arbeits- und Wirtschaftsministerium könnte nach Kuhns Ansicht zu einem „Effizienzgewinn“ führen.

Als Beispiel nannte er die Umsetzung des Hartz-Konzepts. Der Chef eines solchen Superministeriums müsse allerdings „den Widerspruch von Kapital und Arbeit integrieren“ können. Kritik an der Fusion der beiden Ministerien gab es aus dem Gewerkschaftslager. CDU-Chefin Angela Merkel bezeichnete die Nominierung von Clement als „ein fatales Signal für die Wirtschaft in Deutschland“. Nordrhein-Westfalen sei in den vergangenen Jahren zu einem „Absteigerland“ geworden.

Gestern wurde ebenfalls bekannt, dass die langjährige Hamburger Kultursenatorin Christina Weiss neue Staatsministerin für Kultur im Bundeskanzleramt werden soll. Sie tritt die Nachfolge von Julian Nida-Rümelin an, der nach zwei Jahren im Amt auf seinen Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Göttingen zurückgekehrt ist. JENS KÖNIG

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