: Das bisschen Antrag
Nach der CDU/CSU-Wahlniederlage im Bund muss die Hamburger Sozialbehörde nun doch die Grundsicherung für Senioren zum 1. Januar 2003 vorbereiten. Für die Sozialämter bedeutet das noch mehr Arbeit – bei gleichem Personalschlüssel
von KAIJA KUTTER
Weil Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber versprochen hatte, das Gesetz im Falle eines Sieges zu kippen, hatte die Hamburger Sozialbehörde bis zur Wahl keinerlei Vorbereitung getroffen. Doch in zehn Wochen ist es soweit: Ab 1. Januar 2003 können Menschen ab 65 Jahren und Erwerbsbehinderte eine neue „Grundsicherung“ beantragen, ohne fürchten zu müssen, dass ihre Angehörigen zur Kasse gebeten werden (taz berichtete). Für die Bearbeitung dieser Anträge sind aber in den Sozialämtern keine zusätzlichen Kapazitäten eingeplant. Das geht aus dem internen Entwurf einer Drucksache hervor, der der taz vorliegt.
Danach geht Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) davon aus, dass zu den rund 26.000 Sozialhilfeempfängern über 65 Jahren in Hamburg noch „20 bis 30 Prozent neue Antragsteller“ hinzukommen und dadurch Mehrausgaben von 6,2 bis 9 Millionen Euro jährlich entstehen. Wegen Erwerbsminderung würden jährlich bis zu 1300 Anträge erwartet.
„Da wird den Ämtern noch mehr aufgebürdet, obwohl ohnehin 20 bis 30 Prozent Personal fehlen“, kritisiert Sieglinde Frieß von der Gewerkschaft ver.di. Die Situation sei unter den rund 800 Mitarbeitern nach Pensionierungen so angespannt, dass Beratung kaum möglich sei. Und die Sozialämter müssen nicht nur die Neuanträge bearbeiten – sondern auch alle 26.000 Altfälle auf neue Ansprüche überprüfen. Zudem umfasse die Grundsicherung nur den Sozialhilfesatz von 300 Euro zuzüglich eines Aufschlags von 15 Prozent sowie eines Wohngeldes. Frieß: „Wenn die Person zusätzlichen Bedarf hat, wie etwa eine Rheumadecke, muss das zusätzlich beantragt und bewilligt werden“.
ver.di kritisiert zudem, dass Hamburg die Zahl der neuen Antragssteller viel zu niedrig einschätze. Andere Städte rechneten mit einer Steigerung von 50 oder gar 100 Prozent. Frieß vermutet, dass Hamburg bewusst nur 30 Prozent schätze – schließlich stehe das Ziel des Senats, bei der Sozialhilfe in 2003 noch mal 9 Millionen Euro zu kürzen, ohnehin in Frage. Und der Bund überweist Hamburg für die neuen Berechtigten nur den „Mehraufwand“ von 24 Millionen Euro im Jahr. Den Sockelbetrag der 300 Euro Sozialhilfe muss die Stadt selbst zahlen.
Der Gefahr, dass die neuen Ansprüche unbekannt bleiben, werden übrigens die Rentenversicherungsträger begegnen. Sie wollen bis Januar 7 Millionen Menschen über 65 Jahren per Post informieren.
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