: Spezialistinnen für Lehmbauweise
Die Baufachfrauen werden heute von Bausenator Strieder für denkmalpflegerische Verdienste ausgezeichnet
Umtriebig sind die Baufachfrauen. Und erfolgreich. Heute wird ihrem Verein von Peter Strieder, Senator für Stadtentwicklung, höchstpersönlich die Ferdinand-von-Quast-Medaille überreicht. Nach dem Konservator in Preußen ist eine Auszeichnung für besondere denkmalpflegerische Verdienste benannt. Der zweite diesjährige Preisträger ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz für ihr Bemühen um die Alte Nationalgalerie. Zusammen mit einer altehrwürdigen deutschen Kultureinrichtung steht damit 2002 in Berlin ein Frauenprojekt – hervorgegangen aus der Projektbewegung der 80er-Jahre – auf dem Siegertreppchen.
Ausgezeichnet wird der Verein Baufachfrau für die Restaurierung sowohl des Gutsarbeiterhauses im Zentrum von Falkenberg als auch des alten Kesselhauses im Evangelischen Krankenhaus Herzberge in Lichtenberg. Die Bewohner Falkenbergs befürworteten den Abriss der im Verfall begriffenen 38 Meter langen, 10 Meter breiten in Lehmbauweise gefertigten Bauernkate, die in acht Wohneinheiten für Landarbeiterfamilien unterteilt war. An seiner Stelle sollte ein Einkaufszentrum entstehen. Dabei ist das Ensemble das einzige seiner Art, das in Berlin und Umgebung erhalten geblieben ist und Zeugnis ablegt vom Leben in einem märkischen Dorf im vorletzten Jahrhundert. Da denkmalgeschützt, konnte sein Abriss letztendlich verhindert werden.
Die Baufachfrauen organisieren seit Jahren ABM-Projekte im Bereich Lehmbau. Die Restaurierung des Gutsarbeiterhauses, die die Rekonstruktion historischer Baumaterialien mit einschloss, wurde über Qualifizierungsmaßnahmen möglich. Heute wird das Haus als kulturelles Zentrum genutzt.
Ohne visionären Elan einiger arbeitsloser Frauen, die im Baubereich tätig waren, und die kluge Vernetzungsarbeit mit Technikmuseum, Förderverein und Ärzten wäre der Umbau des Kesselhauses in der ehemaligen „Irrenanstalt“ dagegen nicht möglich gewesen. In dem denkmalgeschützen Klinkerbau stehen verschiedene Heizkesselprototypen der letzten hundert Jahre. Historisch-technische Kleinode aus heutiger Sicht. Von hier aus wurden die Gebäudekomplexe des Krankenhauses beheizt. Herzberge hatte den Ruf, fortschrittliche Therapien für psychisch Kranke anzubieten. Dazu gehörten Beschäftigungsangebote für die Patienten. Im Kesselhaus arbeiteten einige von ihnen.
Den Baufachfrauen wurde die Projektleitung der Restaurierung angeboten. Das bedeutete jedoch auch, ein Nutzungskonzept für den Komplex, der zum großen Teil von riesigen Dampfkesseln eingenommen wird, zu erstellen und Nachfolgefinanzierungen aufzutreiben. Ein fast unmögliches Unterfangen angesichts der leeren öffentlichen Kassen. Trotzdem: Der Verein gab nicht auf. Nicht nur wird nun ein Museum für Heiztechnik an diesem Ort entstehen, sondern im September ist bereits die Krankenhausbibliothek mit ihrem einmaligen Archiv zur Psychiatriegeschichte im Kesselhaus eingezogen.
1988 taten sich eine Hand voll Handwerkerinnen zusammen und gründeten den Verein Baufachfrau. Sie hofften, so leichter an Bauaufträge zu gelangen. Mittlerweile ist der Verein wohl das einzige feministische Projekt in der Stadt, wo außer der Arbeit an den erwähnten Restaurierungsprojekten auch noch Männer von Frauen ausgebildet werden. Und zwar im Bereich computergesteuerte Holzbearbeitung. Als einer der ersten Betriebe hat sich der Verein das dafür nötige Know-how erworben. Mit computergesteuerten Maschinen sind neue Formgebungen und Verbindungsmöglichkeiten für Holzteile gegeben. Wie diese das Möbeldesign revolutionieren können, daran arbeiten die Baufachfrauen ebenfalls. Die Geschichte des Vereins zeigt neben aller Professionalität, dass diejenigen, die „parteiisch für Frauen“ handeln, nicht automatisch dogmatisch zu nennen sind.
WALTRAUD SCHWAB
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