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Von einem Fettnapf zum nächsten

Die Regierung der Freien und Hansestadt: Ein Sammelsurium von Fehlleistenden, immer an der Grenze zum Skandal. Ronald Schill ist der Garant für Negativdauerschlagzeilen

Mit einem Fehlstart ging es los, und danach wurde es auch nicht besser. Zu Beginn der Ära Ole stand der Bürgermeister mit unvollständigem Senatspersonal da. Wunschkandidatin Nike Wagner wollte nicht Kultursenatorin werden, und von Beust brauchte drei Monate, um den Posten zu besetzten. Die Suche nahm Züge des Hochnotpeinlichen an, bei Schlager-Gräfin Vicky Leandros wurde ebenso angeklopft wie bei PR-Lady Alexandra von Rehlingen. Am Ende stand die frühere Bild-Journalistin Dana Horáková, was zumindest eine gewisse Konsequenz der Regierungspolitik durchblicken ließ.

Während von Beust noch händeringend in der Republik nach Kultur-Personal suchte, versuchte sich die Schill-Partei bereits an der hohen Kunst der Postenschacherei. Bausenator Mettbach machte seine Lebensgefährtin, eine Physiotherapeutin, zu seiner persönlichen Referentin und musste das wieder rückgängig machen, nachdem die Aufregung darüber zu heftig zu wallen drohte. Kollege Schill hatte seinen politischen Intimus Dirk Nockemann zum eigenen Bürochef befördert. Fraktionsmitglied und Ex-Polizist Bodo-Theodor Adolphi bekam ebenfalls einen Schreibtisch in die Führungsetage der Innenbehörde gestellt, wobei niemand zu sagen wusste, was Adolphi dort eigentlich zu suchen hatte. Der Schill-Abgeordnete André Gonska fiel gleichzeitig in der Schill-geführten Umweltbehörde die Karrieretreppe hinauf. Das Wort vom Schillz machte die Runde. Dass die CDU auch dazu in der Lage ist, bewies sie, als sie ohne Ausschreibung ihren langgedienten Innenpolitiker Heino Vahldieck zum Verfassungsschutzchef beförderte.

Kaum war dies ausdiskutiert, hatten Medien und Opposition genug Gelegenheit, die Person des Innensenators in der bizarren Kokain-Affäre ins Visier zu nehmen. Die Frage: „Hat er oder hat er nicht?“, beschäftigte die Presse über Wochen. Schill bat zur Haarprobe und hatte urplötzlich eine 16 Zentimeter lange Locke parat, die in den vergangenen zwei Jahren auf wundersame Weise ungeschnitten blieb und zur Leumundszeugin seiner Unschuld geriet. Dass er mit dem Negativbescheid seiner Haarprobe gleichzeitig sämtliche übrigen Vorwürfe begrub, gehört vielleicht zu den bisher besten Leistungen seiner Amtszeit. Der Schickeria-Vermerk, nach dem Schill angeblich die ihm liebe Partyszene von Drogenfahndern frei halten wollte, fiel ebenso unter den Tisch wie die Bodyguard-Affäre, in der es um die Beziehungen von Schills Leibwächtern zur rechtsextremen Szene ging. Schills Landesgeschäftsführer Wolfgang Barth-Völkel dachte derweil über Internierungslager für Zuwanderer nach.

Als der gnadenlose Politrichter den Bundestagswahlkampf zudem dazu nutzte, um den Ruf der Hansestadt durch eine 15-minütige Rede im Berliner Parlament zu ruinieren, lag die Rücktrittsforderung von SPD und GAL auf dem Tisch. Wobei Schill nicht der einzige aus von Beusts Regierungsteam war, der bereits im ersten Jahr der Legislaturperiode einen Antrag auf Demission überstehen musste. FDP-Bildungssenator Rudolf Lange hatte auf offener parlamentarischer Bühne seinen bewährten Landesschulrat Peter Daschner desavouiert, in dem er ihm in einer Fragestunde der Bürgerschaft Unfähigkeit attestierte. Lange musste sich dafür entschuldigen und darf weiterwurschteln.

Diese chronique scandaleuse erhebt wahrlich keinen Anspruch auf Vollzähligkeit. PETER AHRENS

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