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Biciste und Rüther wollen nicht zahlen

Im Kölner SPD-Spendenskandal verlangt die Bundespartei jetzt Schadenersatz für ihre Strafzahlungen an Thierse

KÖLN taz ■ Über so viel öffentliches Interesse hätten sie sich in ihrer aktiven Politikerzeit noch gefreut: Als Norbert Rüther und Manfred Biciste gestern ins Kölner Landgericht zum vorläufigen Showdown in ihrem Spendenskandal marschierten, klickten unzählige Fotoapparate und surrten die TV-Kameras. Den Medienandrang für die beiden ehemaligen Genossen hatte die Bundes-SPD organisiert. Sie klagt gegen die beiden Spendensammler ihres Kölner Unterbezirks auf Schadenersatz.

Rund 250.000 Euro hatten der damalige Ratsfraktionschef Rüther und Schatzmeister Biciste in den 90er-Jahren an Großspenden von Unternehmen angenommen, gestückelt und über fingierte Quittungen in die Kölner SPD-Kasse getrickst. Nun will sich die Partei die Strafzahlungen an den Bundestagspräsidenten von fast 500.000 Euro wenigstens teilweise zurückholen.

Der Anwalt von Biciste, Reinhard Birkenstock, überraschte zu Prozessbeginn im Gerichtssaal mit einer neuen rechtlichen Sicht auf die krummen Dinge. „Die Strafzahlungen sind überhaupt nicht rechtens“, gab er zu Protokoll. Die Bundespartei habe schließlich nichts von den Mauscheleien gewusst. Als sie im März davon erfahren habe, sei der Bundestagspräsident umgehend informiert worden. Weil darum kein Verschulden bei der Partei vorliege, müsse auch nicht gezahlt werden. Der SPD-Anwalt Helmut Neumann hält das für ein Ablenkungsmanöver. „Dass die Rechenschaftsberichte der SPD infolge der Verschleierungspraxis falsch waren, kann nicht ernsthaft bestritten werden.“

Stocksteif verfolgte Biciste in seinem grauen Anzug den Schlagabtausch der Anwälte. Rüther dagegen, der sichtlich an Gewicht verloren hat, saß bequem zurückgelehnt. Auch er im Anzug, irgendetwas zwischen braun und schwarz, gesprenkelt mit einem altmodischen Muster. Er wirkte beinahe gelöst.

Nur 40 Minuten dauerte der erste Verhandlungstag. Einen Vergleichsvorschlag der Vorsitzenden Richterin Elisabeth Marnett-Höderath, wonach sowohl Rüther als auch Biciste jeweils nur ein Viertel der Strafsumme zahlen sollten, wurde von allen Beteiligten abgelehnt. Den Beklagten war das zu viel, der SPD zu wenig. Außerdem verspricht sich die Partei von dem Prozess auch eine „abschreckende Wirkung“. SPD-Anwalt Neumann sagte: „Wir haben die Anweisung, hier keinen Vergleich abzuschließen.“ Nach dem Scheitern des Vergleichversuchs wird sich der Prozess nun in die Länge ziehen. Dafür sorgen schon umfangreiche Anträge in dem komplizierten Zivilverfahren. Möglicherweise werde der Prozess durch alle Instanzen sogar jahrelang dauern, sagte die Richterin.

Norbert Rüther will derweil wieder Geld verdienen. Nach Ende des ersten Verhandlungstags sagte der einstige starke Mann der Kölner SPD, der erst Mitte September aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, der taz, er wolle sich nun in seinem alten Beruf als Psychiater nach einem Job umsehen. Rüther: „Ich will wieder arbeiten – aber meine politische Karriere ist endgültig vorbei.“

PASCAL BEUCKER

FRANK ÜBERALL

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