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Burkina Faso zittert vor der Massenflucht

Die Jagd auf Ausländer in der Elfenbeinküste trifft auch Migranten aus Burkina Faso. Sollten sie in ihre Heimat zurückkehren, könnte dies die Kapazitäten des Landes überfordern. Wird Burkina Faso stattdessen ihre Rechte mit Gewalt verteidigen?

OUAGADOUGOU taz ■ Burkina Faso könnte an der ivorischen Krise zerbrechen. 2,5 bis 4 Millionen Nachfahren burkinischer Einwanderer leben in der Elfenbeinküste – die größte Migrantengemeinschaft des Landes. Immer mehr von ihnen werden nun Opfer ausländerfeindlicher Übergriffe im von der ivorischen Regierung kontrollierten Gebiet. Burkina Fasos Behörden schätzen, dass seit September bereits 30.000 die Elfenbeinküste verlassen haben; etwa 200.000 sollen es seit 1999 sein.

Mit einer Massenflucht aus der Elfenbeinküste wäre das viel ärmere Burkina Faso überfordert. „Die Ivorer denken, dass sie uns destabilisieren können, wenn sie 250.000 Burkiner rausschmeißen“, sagt Moussa Boly, Schatzmeister des burkinischen Parlaments. „Sie suchen Sündenböcke für die Krise ihres Landes.“ Die Regierung der Elfenbeinküste ist überzeugt, dass die Rebellion im Norden des Landes von Burkina Faso aus unterstützt wird: entweder von der Regierung in Ouagadougou oder von Ivorern, die dort im Exil leben. In Burkina Faso werden schon Racheangriffe der Elfenbeinküste befürchtet. An der geschlossenen Grenze sollen Truppen in Alarmbereitschaft stehen.

Zugleich regen die zunehmenden Angriffe gegen Burkiner in der Elfenbeinküste die Menschen in Ouagadougou auf. Die Stadt ist voll von Geschichten: etwa über burkinische Studenten in der Elfenbeinküste, die ihre Studienplätze verlieren, oder Viehhändler, die ihre Ersparnisse für die Flucht über Ghana nach Hause aufwenden.

„Bis jetzt sind es die Reichen, die gehen“, erklärt ein einheimischer UN-Mitarbeiter in Ouagadougou. Im Rebellengebiet im Norden seien die Ausländer sicher, aber die meisten leben im Süden des Landes. „Das Problem sind die Regierungstruppen. Sie jagen die Leute und rauben sie aus. Potenziell sind in der Elfenbeinküste alle betroffen, die Nachnamen tragen, die es auch in Burkina Faso und Mali gibt. Wenn man so einen Namen hat, greifen sie einen auf und zerreißen einem die Papiere.“

„Die meisten der Burkiner in der Elfenbeinküste wollen in ihr Heimatland zurück, aber kein Land der Welt kann einfach so drei Millionen Menschen aufnehmen“, sagt der Parlamentsabgeordnete Gilbert Ouedraogo. Eine Arbeitsgruppe der burkinischen Regierung arbeitet an einem Repatriierungsplan, wonach Rückkehrer erst in Transitlager unterkommen und dann in ihre Ursprungsdörfer weitergebracht werden sollen. Nach UN-Angaben sind bereits Auffanglager an den Grenzen zur Elfenbeinküste und zu Ghana ausgewiesen.

„Ich bezweifle, dass die Aufnahmekapazitäten wirklich vorhanden sind“, meint jedoch der UN-Mitarbeiter. „Die örtlichen Behörden haben kein Geld. Es gibt nicht einmal Treibstoff für die Traktoren, die den Boden für die Lagerstätten planieren sollen.“ Die UNO hat Planungen für benötigte Hilfsgüter aufgestellt: Decken, Impfstoffe, Vitamine, Salz, Eimer und sogar Schulsachen für Kinder: 28.000 Kugelschreiber, 14.000 Bleistifte, 10.000 Radiergummis.

Man richtet sich auf eine langwierige Aktion ein: Die meisten burkinischen Familien in der Elfenbeinküste leben seit Generationen dort. Gilbert Ouedraogo sagt: „Wenn sie aus den Bussen steigen, und man fragt, aus welchem Dorf sie kommen, wissen sie es nicht. Es ist das Land ihrer Großeltern. Man müsste für sie eigene Dörfer bauen.“

Die große Welle der burkinischen Migration in die Elfenbeinküste fand in der französischen Kolonialzeit statt: Zwischen 1932 und 47 war das damalige Obervolta adminstrativ Teil der Elfenbeinküste, und zu hunderttausenden zogen die Bewohner des trockenen Sahelgürtels in Richtung Küste, um dort auf den Plantagen zu arbeiten. Nach der Unabhängigkeit beider Länder 1960 blieben sie und wurden sesshaft. Was jahrelang als historische Tatsache akzeptiert wurde, stellt die ivorische Seite nun in Frage – mit fatalen Konsequenzen, die bis zum Krieg führen könnten.

Denn Burkina Faso ist zwar ärmer als die Elfenbeinküste, aber es ist davon überzeugt, die stärkere Armee zu haben. Ein Diplomat im Außenministerium meint: „Wenn Frankreich Truppen in die Elfenbeinküste schicken kann, um seine 20.000 Bürger dort zu schützen – wieso sollen wir nicht auch handeln, um unsere drei Millionen Bürger zu verteidigen?“ DOMINIC JOHNSON

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