: Biomasse weckt Fantasie
Doppelte Erträge: Biomasse-Kraftwerke können zum attraktiven Investment werden, wenn noch Entsorgungsvergütungen anfallen. Studie sieht bei Bioenergie eine hohes Entwicklungspotenzial
Was für eine Vorstellung: Man bekommt auch noch Geld dafür, dass man einen wertvollen Energieträger entgegennimmt. Gibt’s nicht? Gibt’s doch: Wo Biomasse energetisch verwertet wird, lassen sich mitunter ganz ansehnliche Erträge durch die Entsorgung erzielen. Sie liegen zumeist zwischen 15 und 30 Euro je Tonne – je nach Substrat auch noch darüber.
Nicht zuletzt aus diesem Grund können Biomassekraftwerke für Investoren ein durchaus attraktives Metier sein. Und so kommt auch eine aktuelle Studie des Hamburger Ingenieurbüros für Abfallwirtschaft, Stegmann und Partner, zu dem Ergebnis, dass „insbesondere im landwirtschaftlichen und abfallwirtschaftlichen Bereich sehr große noch ungenutzte Potenziale für eine sinnvolle Verwertung stecken“. Akribisch haben die Autoren die Daten aufgeschlüsselt: Ob Flüssig- oder Festmist, Zuckerrübenblatt, Kartoffelkraut, Silage oder Tierfett – für jedes denkbare Substrat wurden die Zahlen zusammengetragen. In der Summe, so die Studie, ergäbe sich allein aus organischen Abfallstoffen „ein theoretisches Gesamt-Biogaspotenzial in Deutschland von jährlich 18,25 Milliarden Kubikmetern“. Dieses verfüge über einen Energiegehalt von etwa 100 bis 137 Terawattstunden – das entspricht etwa 3 Prozent des nationalen Primärenergieverbrauchs. Das gesamte Biomassepotenzial in Deutschland liegt freilich noch erheblich darüber – hinzu kommen noch die Potenziale aus nachwachsenden Rohstoffen, insbesondere aus speziellen Energiepflanzen.
Sind Biogasanlagen nun ein lohnendes Investment? Speziell zur Beantwortung dieser Frage will die Studie (Titel: Wirtschaftliche Potenziale zur Vergärung biologisch abbaubarer Stoffe und zur Biogasverwertung) Fakten bereitstellen. Auftraggeber ist das Hamburger Unternehmen Schroeder & Co, das sich von der Studie Argumentationshilfen fürs eigene Geschäft erhofft: Es vermarktet derzeit einen „BioPower Renditefonds“, der drei Biokraftwerke – zwei in Deutschland, eines in England – umfasst.
Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit von Biokraftwerken sind unter anderem zwei Dinge: zum einen die Einspeisevergütung und zum andern die Höhe der Gutschrift bei Annahme von Bioabfällen. Die Einspeisevergütung ist in Deutschland durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelt: 10,23 Cent je Kilowattstunde gibt es bis zu einer Leistung von 500 Kilowatt, und 9,21 Cent bis zu 5 Megawatt. Ähnliches gilt zum Beispiel auch in England, wo nach der Non-Fossil Fuel Obligation (NFFO) 0,0556 Pfund pro Kilowattstunde Strom gezahlt werden, also etwa 9 Cent.
Problematischer als die Einspeisevergütung, die oft langfristig festgelegt ist (in Deutschland für 20 Jahre), sind die Erträge durch Entsorgungsgebühren. „Die Annahmepreise sind in den letzten zwei Jahren bei zahlreichen Anlagen eher zurückgegangen“, wissen die Autoren der Studie, Rainer Stegmann, Karsten Hupe und Kai-Uwe Heyer. Doch die Preise „können in den nächsten Jahren erneut ansteigen“.
Der politische Rahmen spricht tatsächlich dafür: Ab dem Jahr 2005 darf Restmüll nicht mehr unvorbehandelt deponiert werden – das bestimmt die Technische Anleitung Siedlungsabfall (TASi). Da bislang die Deponierung der häufigste und oft billigste Entsorgungsweg ist, dieser aber bald abgeschnitten wird, dürften die Marktpreise merklich steigen. Zudem vermuten die Autoren, dass auch aufgrund wachsender gesellschaftlicher Vorbehalte gegen einige der heute praktizierten Entsorgungsverfahren – etwa die Verwertung von Bioabfall als Tierfutter – die Bioenergiebranche eine stärkere Marktposition erhalten werde.
Allerdings muss Autor Karsten Hupe eingestehen, dass es langfristig auch gegenläufige Preisentwicklungen geben kann. Wenn erst der Bau von Biomasse-Kraftwerken richtig in Gang kommt und schließlich aufgrund hoher Verwertungskapazitäten in einen Preiskampf um verwertbares Substrat mündet, kann manche Finanzplanung schnell zu Makulatur werden. Die Pioniere werden dann die Sieger sein – sofern sie ausreichend lange Bezugsverträge in der Tasche haben. „Richtwert sollten fünf bis zehn Jahre sein“, sagt Hupe.
Denn die meisten Anlagen zur Verwertung organischer Abfälle blieben auch in Zukunft von den Entsorgungserlösen abhängig. Die Vergütungen für Strom und Wärme reichten allein in der Regel für einen wirtschaftlichen Betrieb der Kraftwerke nicht aus. Zwar sei es sinnvoll, hier mit höheren Vergütungen politisch nachzubessern – doch darauf, dass dies irgendwann geschieht, kann sich natürlich kein Investor verlassen.
Dass die Bioenergie vor einer großen Entwicklung steht, hält die Studie unterdessen für ausgemacht: „Der wichtigste Beitrag am Zuwachs der erneuerbaren Energieträger wird von der Biomasse erwartet.“ Innerhalb der nächsten zehn Jahre werde in diesem Bereich eine Verdreifachung der Menge prognostiziert, was einem jährlichen Rohöläquivalent von etwa 90 Millionen Tonnen aus Biomasse entspricht. Zwischen 25 und 50 Prozent dieser Bioenergie werde man aus Biogas gewinnen. Investitionen von 75 Milliarden US-Dollar seien in der gesamten Branche der Biokraft bis 2010 in der EU zu erwarten. BERNWARD JANZING
Studie zum Download unter www.schroeder-co.de
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