piwik no script img

Zulage zur Zersiedlung

Die Eigenheimzulage entlastet Häuslebauer. Ihre Kürzung erregt die Baubranche. Doch an den Bedürfnissen Berlins geht sie vorbei. Grüne und Strieder: Schon genug Eigenheime vorhanden

von RICHARD ROTHER

Die Eigenheimzulage, gegen deren Reduzierung gestern Bauarbeiter aus der ganzen Bundesrepublik in Berlin demonstriert haben, geht an den Bedürfnissen der Stadt vorbei. „Die Eigenheimzulage hat die Zersiedelung der Region gefördert“, kritisiert der Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer. Dies führe zu immer mehr Verkehr, mit all den bekannten negativen Folgeerscheinungen wie Lärm und Umweltverschmutzung. Verstärkt worden sei dies noch durch die Möglichkeit steuerlicher Sonderabschreibungen bei Bauprojekten in Ostdeutschland. Cramer: „Wenn man dieses Geld in die Sanierung gesteckt hätte, sähe Berlin heute ganz anders aus.“

Auch im Hause des Stadtentwicklungssenators Peter Strieder (SPD) steht man der Eigenheimzulage skeptisch gegenüber. Zwar sei eine Kürzung für die, die bauen wollten, sicherlich nicht schön, so eine Behördensprecherin. „Aber wir haben genügend Wohnungsleerstand in Berlin; wir brauchen Eigenheime nicht zu fördern.“

Auch die Grünen-Bauexpertin Barbara Oesterheld spricht von einer Fehlentwicklung, die durch die Eigenheimzulage gefördert worden sei. „Damit wurde der Wohnungsbau auf der grünen Wiese gefördert, woran vor allem Baufirmen und Projektentwickler verdient haben.“ Zum Teil stünden deren Objekte, etwa in den milliardenteuren städtischen Entwicklungsgebieten, sogar leer. Jetzt fehlten dem Land Berlin Mittel, die Sanierung der Innenstadtquartiere zu unterstützen. „Dass das Programm zur Stadterneuerung auf null gefahren wurde, ist eine Katastrophe.“

Der Grünen-Politiker Cramer sieht jetzt dennoch einen Schritt in die richtige Richtung. Die Förderung des Neubaus gegenüber der Altbausanierung sei nun aufgehoben. Zudem würden nun die Steuermittel umgeschichtet, 150 Millionen Euro flössen jährlich in Baumaßnahmen zur Wärmedämmung.

Die rot-grüne Koalition im Bund hat sich gestern auf die Reformierung der bundesweiten Regelung zur Eigenheimförderung geeinigt. Die Kürzung fällt allerdings nicht ganz so stark aus wie bislang geplant. Kinderlose erhalten künftig keine Bauzulage mehr, der Bundesrat muss dem Vorhaben noch zustimmen.

Laut jüngstem Subventionsbericht beträgt das Fördervolumen der Zulage momentan jährlich rund 9,5 Milliarden Euro. Nach Angaben von Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks soll es auf 6 Milliarden Euro reduziert werden. Familien und Ledige mit Kindern sollen künftig acht Jahre lang einen Fördersockelbetrag von 1.000 Euro erhalten. Für jedes Kind kommen weitere 800 Euro hinzu. Kinderlose, auf die bisher rund ein Drittel des Fördervolumens entfiel, haben künftig keinen Anspruch auf die Hilfe zur Finanzierung eines Eigenheims oder einer Eigentumswohnung. Bisher gab es acht Jahre lang jeweils 2.556 Euro für Neu- und 1.278 für Altbauten und zusätzlich ein „Baukindergeld“ von 764 Euro jährlich. Die Unterscheidung zwischen Alt- und Neubauten soll aufgehoben werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen