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vorlaufZornesfalten

„Deutsche Lebensläufe: Arno Breker“ (SWR, 22.30 Uhr)

Wer im Internet zu Arno Breker forscht, landet als Erstes auf einer apologetischen französischen Homepage, die sich der Frage widmet, ob Nazikunst erkennbar sei. Zur Auswahl stehen jeweils vier Fotos von Skulpturen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – und lustigerweise wird, gegen die Intention der Betreiber, selbst der Halbinformierte treffsicher die Werke des obersten NS-Bildhauers erkennen und dem Nazi-Erbe zuordnen können.

In Dagmar Wittmers Breker-Porträt, Teil drei der fünfteiligen SWR-Sendereihe „Deutsche Lebensläufe“ (demnächst auch auf ORB und SFB 1), wird die Frage „Nazikünstler oder nicht“ nur lebensgeschichtlich, nicht aber am konkreten Beispiel der Breker’schen Staatsaufträge diskutiert. Auf den Lebensspuren des noch immer umstrittenen Künstlers kreuzt die Dokumentation von Wuppertal (Celloklänge) über Paris (Musettemusik!) zum Berliner Olympiagelände (Strauß’ „Also sprach Zarathustra“!) und wieder zurück nach Paris (Musette!). Die politisch unverdächtigen Breker-Freunde Cocteau, Dalí und Ernst Fuchs werden als Zeugen der Verteidigung zitiert, Brekers ungetrübte Kontakte zu Liebermann und Maillol erwähnt.

Kurioserweise werden sogar zwei Kunsthistoriker nur in Sachen Moral befragt, analytische Blicke auf Brekers vielschichtiges Werk hingegen nicht gewagt. Der einzige explizite Kommentar zu seinen Plastiken kommt ausgerechnet aus einem Film, den Leni Riefenstahl im „Dritten Reich“ produziert hatte. „Das Empfindliche“, heißt es dort, „ist abgelöst durch die Kraft, das im funkelnden Licht Zerfließende durch Härte.“

Ab wann, so hätte man fragen können, tragen Brekers Athleten diese grotesken Zornesfalten auf der Stirn? Und hat der Bildhauer nach 1945 wieder davon abgelassen? Erst ein Jahr ist es her, dass eine Wanderausstellung idealistische Aktplastik von Lehmbruck bis Breker zeigte. Titel: „Taking Positions“. Das Resümee des Filmporträts indes klingt vor allem ratlos: „Dass seine Lebenswelt als Künstler auch eine politische war, hat er immer von sich gewiesen. Ob er manchmal selbst Zweifel hatte? Vielleicht.“ Darf’s ein bisschen mehr sein? Gerne. RKR

„Deutsche Lebensläufe“, immer donnerstags im Südwestfernsehen

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