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Thierse schickt FDP die Rechnung

Bundestagspräsident verlangt bis morgen 839.000 Euro von den Liberalen. Strafe für die mutmaßlich illegale Finanzierung des Möllemann-Flugblatts. Erstmals auch Vorwürfe gegen Gerhardt. Untersuchungsausschuss im Bundestag rückt näher

von BETTINA GAUS

Die FDP kommt nicht aus den Schlagzeilen. Das Büro von Bundesschatzmeister Günter Rexrodt bestätigte gestern, dass Bundestagspräsident Wolfgang Thierse die Liberalen bis morgen zur Zahlung von 839.000 Euro aufgefordert hat. Dieser Betrag entspricht der Summe von mutmaßlich illegalen Spenden, die der ehemalige nordrhein-westfälische Landeschef Jürgen Möllemann zur Finanzierung eines latent antisemitischen Flugblatts aufgewendet haben soll.

Mittlerweile mehren sich außerdem die Anzeichen, dass ein Untersuchungsausschuss des Bundestags mit dem FDP-Spendenskandal befasst wird. Beobachter werteten es als dahingehendes Signal, dass sich gestern auf Antrag von SPD und Grünen erstmals der Bundestag in einer aktuellen Stunde mit dem Thema „mögliche illegale Finanzzuflüsse bei der FDP“ beschäftigte.

Noch möchte sich die SPD-Fraktion allerdings nicht festlegen. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Wilhelm Schmidt erklärte gestern, derzeit gebe es noch keine sachliche Begründung für einen solchen Ausschuss. Man werde aber die FDP-Affäre weiter „scharf beobachten“, und er wolle die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auch nicht ausschließen. Sein Kollege von den Grünen, Volker Beck, ging noch einen Schritt weiter: „Ich sehe den Untersuchungsausschuss immer drängender werden.“

Unterdessen sieht sich jetzt auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt, dem bislang kein persönliches Fehlverhalten vorgeworfen worden war, mit Vorwürfen konfrontiert. Das Nachrichtenmagazin Stern berichtet von jahrelangen illegalen Finanztransfers der Fraktionen aus Bund und Ländern an die Partei. Im Laufe der Zeit sei so viel Geld zusammengekommen, dass Gerhardt 300.000 Mark – rund 153.000 Euro – abgezweigt und der Partei als Darlehen zur Verfügung gestellt habe. Ein solches Vorgehen wäre ein Verstoß gegen das Parteiengesetz.

Gerhardt sagte gestern, Berichte über schwarze Kassen bei der Bundespartei seien völlig haltlos. „Zu keiner Zeit“ habe die Partei aus dem Konto der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz „auch nur eine müde Mark erhalten“. Auch Jörg-Uwe Hahn, der Sprecher dieses Gremiums, schloss derartige Geldflüsse aus.

Teuer wird die Affäre für die FDP wohl in jedem Falle – selbst wenn sich die jüngsten Vorwürfe nicht bestätigen sollten. Einem Bericht der Berliner Zeitung zufolge soll Rexrodt den nordrhein-westfälischen Landesverband dringlich gebeten haben, ihm die von Thierse geforderten 839.000 Euro zuzuleiten. Fraglich ist jedoch, ob die Parteifreunde aus dem Rheinland dazu überhaupt in der Lage wären: Das Geld soll weitgehend für den Versand von Möllemanns Massendrucksache ausgegeben worden sein. Darüber hinaus vertritt der NRW-Landesverband dem Zeitungsbericht zufolge die Auffassung, die so genannten Spenden seien niemals in den Verfügungsbereich der Landespartei gelangt. Daher könne der Vorgang auch nicht der FDP angelastet werden.

Ungeachtet aller Hiobsbotschaften will FDP-Chef Guido Westerwelle weiter im Amt bleiben. Im ZDF behauptete er, die volle Unterstützung der Parteigremien und der Basis zu haben. Und eines steht immerhin fest: Bei der aktuellen Stunde zur FDP im Bundestag ist Westerwelle kein Fehler unterlaufen. Er glänzte durch Abwesenheit.

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