: Den Seekrieg „allmählich an Land tragen“
Das Mandat von „Enduring Freedom“ bleibt unverändert. Aber vor Ort ändert sich viel. Vor allem am Horn von Afrika
BERLIN taz ■ Unter dem heute im Bundestag zur Verlängerung anstehenden Mandat kann sich die Bundeswehr mit bis zu 3.900 Soldaten an der multinationalen Operation „Enduring Freedom“ beteiligen. Derzeit werden rund 1.100 Mann eingesetzt: Etwa 100 Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) bei Kandahar in Afghanistan, ein Flottenverband mit rund 805 Mann vor dem Horn von Afrika, 52 Mann als Besatzung für sechs ABC-Spürpanzer in Kuwait sowie Sanitäter und Soldaten für den Lufttransport.
Offiziell soll das Mandat unverändert verlängert werden; aber in der Praxis stehen doch Änderungen an. So wurden die deutschen KSK-Soldaten in Afghanistan bisher von den US-Truppen auf der Jagd nach Kämpfern der Taliban und von al-Qaida nur unterstützend eingesetzt. Künftig werden sie dagegen „einen noch eigenständigeren Beitrag“ leisten, wie es ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums ausdrückte.
Auch am Horn von Afrika, Schauplatz des größten deutschen Marineeinsatzes seit dem Zweiten Weltkrieg, stehen die Zeichen auf Eskalation. Innerhalb eines Flottenverbandes, bei dem derzeit Spanien das Kommando ausübt und außerdem Frankreich, Großbritannien und die USA beteiligt sind, werden die an die arabische Halbinsel und Nordostafrika angrenzenden Seewege überwacht. 670 Soldaten der Bundesmarine agieren aus Dschibuti heraus, 135 Angehörige der Flugaufklärung aus dem kenianischen Mombasa. Zwei Fregatten, ein Tanker, ein Versorgungsschiff sowie drei Flugzeuge der Fernaufklärung sind im Einsatz.
Noch vor ein paar Monaten beteiligte sich Deutschland außerdem mit fünf Schnellbooten an der direkten Überwachung des Schiffsverkehrs. Die wurden im Juni abgezogen und nicht ersetzt. Berichte, dies habe am Mangel an Geld zur Ausstattung der vorgesehenen Ersatzschiffe mit Klimaanlagen gelegen, dementiert der Sprecher des Verteidigungsministeriums.
Bei der Bilanz des Einsatzes gibt es offensichtlich unterschiedliche Einschätzungen auf beiden Seiten des Atlantiks. So betont der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, die Marinepräsenz habe das Gebiet unattraktiv für Terroristen gemacht. Der multinationale Flottenverband habe rund 4.000 Schiffe beobachtet und 40 Handelsschiffe mit Begleitschutz versehen, ohne den geringsten Zwischenfall. „Das ist ein Erfolg der Präsenz vor Ort.“
Der deutsche Marinespezialist Gottfried Hoch berichtet hingegen in einer Fachstudie, es habe allein im ersten Halbjahr des Einsatzes vier Vorfälle mit „Piraten“ gegeben, wobei zweimal deutsche Marineteams aus Hubschraubern auf Kleinbooten landeten, die von Jemen nach Somalia unterwegs waren. Außerdem fand die Marine ein Flüchtlingsschiff mit 170 Boat-People aus Sri Lanka. US-Generalstabschef Richard Myers sagte vor kurzem in Washington: „Das Horn von Afrika hat sich als ziemlich belebte Gegend im Sinne des Verkehrs von Menschen und anderen Kriegsinstrumenten erwiesen – Waffen, Sprengstoff, vielleicht Massenvernichtungswaffen.“ Es sei eine Region, „in der Terroristen sich sammeln und Planungen oder Training vornehmen können“.
Die USA erweitern daher ihr Engagement erheblich. Schließlich geht es um eine der wichtigsten Seehandelsrouten der Welt, durch die nicht nur Öl aus dem Persischen Golf in Richtung Suezkanal transportiert wird, sondern auch in umgekehrte Richtung der Rüstungsnachschub für einen eventuellen Krieg gegen den Irak. Zentral für die Überwachung dieser Route ist Dschibuti, mit seinen französischen Militäreinrichtungen Europas größter Militärstützpunkt in Afrika und jetzt Hauptquartier der Deutschen. In Dschibuti sind nun 800 Mitglieder der US-Special-Forces stationiert; 550 weitere, darunter 150 Special Forces, sollen zum Aufbau eines regionalen Antiterrorkommandos folgen, zunächst auf einem Kriegsschiff.
Die Special Forces sollen die Verfolgung von Terroristen „allmählich auch an Land tragen“, sagte ein US-Marinesprecher. Der deutsche Marine-Fachdienst Marine-Forum meint dazu: „Nach dem Jemen, wo US-Kräfte bereits aktiv gegen Terrorzellen vorgehen, dürften dann auch vermutete Rückzugsgebiete von Terroristen in Sudan und Eritrea sowie in abgelegenen Gebieten Kenias ins Visier geraten.“
DOMINIC JOHNSON SVEN HANSEN
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