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24 Jahre Haft für Italiens Expremier

In zweiter Instanz wird Italiens früherer christdemokratischer Regierungschef Giulio Andreotti für schuldig befunden, bei der Mafia den Mord an einem Journalisten in Auftrag gegeben zu haben. Berlusconi spricht von verrückt gewordener Justiz

aus Rom MICHAEL BRAUN

Mit der Verurteilung zu 24 Jahren Haft endete am Sonntagabend vor dem Appellationsgericht von Perugia in zweiter Instanz der Prozess gegen Giulio Andreotti. Der 83-Jährige war angeklagt, 1979 die sizilianische Mafia mit dem Mord an dem Enthüllungsjournalisten Mino Pecorelli beauftragt zu haben, hatte jedoch in erster Instanz 1999 einen Freispruch erreichen können.

Wie in dem parallel gegen Andreotti in Palermo laufenden Prozess – dort muss sich der christdemokratische Politiker wegen Unterstützung einer mafiosen Vereinigung verantworten – stützte sich die Anklage in Perugia vor allem auf die Aussagen von Mafia-Kronzeugen. Tommaso Buscetta – erster prominenter Mafioso, der von Mitte der Achtzigerjahre an ausgepackt hatte – und zahlreiche weitere Cosa-Nostra-Aussteiger belasteten Andreotti, der siebenmal Premier war, von 1993 an als Gewährsmann der Mafia. Diese Aussagen trugen nicht nur zum Zusammenbruch der Democrazia Cristiana bei. Sie bescherten Andreotti auch die beiden noch laufenden Verfahren.

In Perugia hatte der mittlerweile verstorbene Buscetta im erstinstanzlichen Verfahren zu Protokoll gegeben, der Mafiaboss Tano Badalamenti selbst habe sich ihm gegenüber als Organisator des Mordkomplotts gegen Pecorelli geoutet. Der unbequeme Journalist sei erschossen worden, „um Andreotti einen Gefallen zu tun“. Mino Pecorelli publizierte ein Enthüllungsblatt, in dem er immer wieder mit aus Geheimdienstkreisen stammenden brisanten Informationen aufwarten konnte. Dazu gehörten 1978–79 auch zwei für Andreotti gefährliche Geschichten. Pecorelli hatte Enthüllungen über einen großen Bestechungsskandal ins Blatt gehoben, der Andreottis Strömung in der DC viel Geld beschert hatte. Auch hatte er in mehreren Artikeln durchblicken lassen, dass er die wahre Geschichte des von Andreottis Parteifreund Aldo Moro in der Gefangenschaft der Roten Brigaden verfassten Memorandums kannte – eines Memorandums, das nur unvollständig aufgefunden wurde. Gerade die fehlenden Passagen – die Pecorelli offenbar vorlagen – enthielten heftige Anschuldigungen gegen Andreotti.

In erster Instanz hatten Buscettas Aussagen dem Gericht nicht gereicht. Als glaubwürdig wurde der Zeuge eingestuft – Badalamenti aber habe seinen Mafiakumpel mit der Selbstbezichtigung belogen. Andreotti, Badalamenti, zwei als Mittelsmänner Angeklagte sowie die beiden vorgeblichen Tatschützen wurden deshalb freigesprochen.

Die Begründung des am Sonntag gefällten Berufungsurteils liegt noch nicht vor. Die Richter verkündeten allein den Schuldspruch für Andreotti und Badalamenti, während alle weiteren Angeklagten erneut mit einem Freispruch davonkamen. Fest steht aber, dass das Appellationsgericht zumindest die Rolle des Politikers und des Mafiabosses für erwiesen hält. Noch vor Vorliegen der Urteilsbegründung darf sich der zum Senator auf Lebenszeit ernannte Andreotti dennoch über breite Unterstützung freuen. Während Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi „tiefe Verstörung“ über den Schuldspruch zu Protokoll gab, gingen die Präsidenten des Abgeordnetenhauses und des Senats mit Solidaritätsanrufen einen Schritt weiter. Ministerpräsident Silvio Berlusconi fand zu gewohnt scharfen Tönen und sprach von einer „verrückt gewordenen Justiz“, von „politisierten Richtern“, die „den demokratischen Kurs des Landes ändern wollen“. Er kündigte eine Reform der Justiz an Haupt und Gliedern an. Andreotti, über den in wenigen Wochen auch in Palermo das Berufungsurteil gesprochen wird, wird vor dem Kassationsgericht in die dritte Instanz gehen.

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