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Zweifel an Selbstmordversion der Polizei

Der Mosambikaner, der am Sonntagabend in Friedrichshain in den Tod sprang, habe keinen Suizid begangen – das glauben zwei Freunde von ihm. Sie erwägen, einen Anwalt einzuschalten, der die Umstände seines Todes aufklären soll

Langjährige Freunde des am Sonntagabend in den Tod gesprungenen Mosambikaners Ali A. haben Zweifel an der offiziellen Todesversion der Polizei geäußert. Sie erwägen, einen Anwalt einzuschalten, der die näheren Umstände des Sprungs des 39-jährigen aus dem siebten Stock eines Wohnhauses an der Landsberger Allee in Friedrichshain ermitteln soll, wie A.s Landsmänner Jassine I. und Germano C. der taz sagten.

Nach Darstellung der Polizei hatten zwei Polizeibeamte in Zivil am Sonntagabend gegen 21 Uhr versucht, A. in seiner Wohnung festzunehmen. Gegen ihn habe ein Haftbefehl „zur Vollstreckung einer Geldstrafe wegen Erschleichens von Leistungen in Höhe von 690 Euro ersatzweise 30 Tage Haft“ bestanden. Da niemand die Tür geöffnet habe, sei nach einer Dreiviertelstunde versucht worden, das Schloss mit einem Bohrer zu öffnen. Daraufhin habe eine 44-jährige Brasilianerin die Tür geöffnet. Sie habe auf ein Fenster gedeutet, aus dem A. gesprungen sei. A. sei beim Sprung so schwer verletzt worden, dass er etwa drei Stunden später in einem Krankenhaus gestorben sei.

Jassine I. und Germano C. betonen, dass ihr Freund A. nie Probleme mit der Polizei gehabt habe. Sie glauben nicht, dass A. jemand gewesen sei, der Selbstmord begangen hätte – erst recht nicht für einen solchen vergleichsweise geringen Betrag: „So schwach war er nicht.“ Wenn er tatsächlich mit einer solchen Summe in der Kreide gestanden habe, hätte er sicher seine Freunde gefragt, ihm kurzfristig auszuhelfen. A. könne höchstens in Panik so gehandelt haben: vielleicht aus Unsicherheit, wer da nun vor der Tür stehe. Vielleicht habe er sich von den Unbekannten bedroht gefühlt, sagen Jassine I. und Germano C.. Sie kritisieren das ihrer Meinung nach brutale Vorgehen der Polizei.

A. wurde nach Informationen seiner Freunde auf der Ilha de Mosambique geboren und wuchs in der Provinzhauptstadt Nampula auf. Anfang der 80er-Jahre sei er als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen. Hier habe er Maschinenschlosser und Schweißer gelernt. Im Jahre 1998 habe er geheiratet. Seine Frau lebe in Mosambik. Mit ihr habe er eine kleine Tochter gehabt. Auch eine andere Frau in Berlin habe ein Kind von ihm.

Seit Juli dieses Jahres sei er arbeitslos gewesen, berichten seine Freunde. Zuvor habe er als Kranführer gearbeitet, unter anderem am Olympiastadion. Unklar sei noch, ob er in Deutschland beerdigt und ob seine Familie aus Mosambik dafür hierher kommen werde. PHILIPP GESSLER

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