: Unter Druck
Anwälte werfen US-Behörden vor, Aufklärung des 11. September zu blockieren. Zeugen widerrufen Aussagen
Nicht von Al Quaida-Symphatisanten, sondern von der deutschen Polizei wollen sie unter Druck gesetzt worden sein. Zwei Zeugen, die vor der Polizei behauptet hatten, in einem afghanischen Ausbildungslager mutmaßliche Mitattentäter der Terroranschläge von New York und Washington getroffen zu haben, widerriefen gestern ihre Aussagen vor dem Hamburger Oberlandesgericht. Während ein 28-jähriger Zeuge beteuerte, von niemandem zum Widerruf genötigt worden zu sein, sagte ein 22-Jähriger im Gegenteil, die Polizei habe ihn bedroht: „Ich habe gesagt, was die hören wollten.“
Er dementierte auch seine frühere Aussage, in einer Hamburger Moschee davor gewarnt worden zu sein, über die afghanischen Lager auszusagen. Dennoch schloss der Vorsitzende Richter im Prozess gegen den Marokkaner Mounir El Motassadeq zum Schutz des Zeugen die Öffentlichkeit vor seiner weiteren Befragung aus.
Bei früheren Vernehmungen hatten beide Zeugen behauptet, in Lagern bei Kandahar und Kabul vier bis fünf Männer aus Hamburg getroffen zu haben. Auf Fotos hatten sie Said Bahaji und Zakaryia Essabar identifiziert, nach denen mit internationalem Haftbefehl gesucht wird, sowie den in den USA inhaftierten Ramzi Binalshibh. Im Lager sei erzählt worden, Usama Bin Laden habe sich vor dem 11. September in den Jemen abgesetzt.
Die Anwälte von Motassadeq warfen unterdessen den US-Behörden vor, kein Interesse an der „Aufklärung der Wahrheit“ zu haben. Am Vortag hatten die USA gegenüber dem OLG eine Aussage des inhaftierten Ramzi Binalshibh abgelehnt. Die Anwälte folgern daraus, dass Binalshibh entweder ihren Mandanten Motassadeq entlasten würde oder sich nach wochenlanger Haft in den USA „in einem Zustand befindet, der eine Vernehmung durch ein unabhängiges Gericht ausschließt“.
Gestern wurde zudem bekannt, dass die Anwaltskanzlei von Innenstaatsrat Walter Wellinghausen den Syrer Mamoun Darkanzanli vertritt, der ein enger Freund des 11. September-Attentäters Mohammed Atta gewesen sein soll. ELKE SPANNER
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