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Polizei nutzt mit

Verfassungsrichter senden skeptische Signale bei Verhandlung über polizeiliche Nutzung der Verbindungsdaten von Journalisten-Handys

aus Karlsruhe CHRISTIAN RATH

„Journalisten dürfen nicht als Fahndungsinstrument missbraucht werden“, forderte gestern der Medienanwalt Gernot Lehr. Vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt er das ZDF und die Stern-Journalistin Edith Kohn. Beide wollen erreichen, dass die Polizei nicht ohne weiteres auf die Verbindungsdaten von Journalisten-Handys zugreifen kann. Denn wenn die Polizei jederzeit überprüfen könne, mit wem wann und wo Journalisten telefonieren, sei die Pressefreiheit verletzt.

Edith Kohn hatte telefonischen Kontakt zu dem in Frankreich untergetauchten Exterroristen Hans-Joachim Klein, der sich zwar stellen, zuvor aber dem Stern sein Leben erzählen wollte. Mit Hilfe der beim Provider abgefragten Handy-Verbindungsdaten konnte die Polizei Klein festnehmen.

Auch im Fall des als Kreditbetrüger gesuchten Baulöwen Jürgen Schneider wollte die Polizei von journalistischen Kontakten profitieren. Die Handy-Daten der beiden ZDF-Journalisten Udo Frank und Beate Thorn führten damals allerdings nicht zum Ziel.

In beiden Fällen reagierten die betroffenen Medien empört, doch das angerufene Frankfurter Landgericht billigte damals die Maßnahmen der Ermittler: Der Kontakt von Journalisten zu flüchtigen Straftätern sei nicht von der Pressefreiheit geschützt, hieß es trocken zur Begründung.

„Journalisten sollen authentisch über alles schreiben, was die Gesellschaft bewegt“, sagt dagegen Gernot Lehr, „also auch über noch nicht geklärte Straftaten.“ Nur ein starker Informantenschutz sichere die Funktion einer freien Presse. „Wenn die Polizei ungehinderten Zugang zu den Verbindungsdaten hat, dann ist das wichtigste Arbeitsinstrument von Journalisten – das Telefon – für heikle Kontaktaufnahmen blockiert.“

Die Bundesregierung hält die Auswertung von Handy- und Festnetzdaten jedoch für ein „unverzichtbares Fahndungsmittel“, wie Ministerialdirektor Berndt Netzer erklärte. So konnte die Zusammensetzung einer Islamistengruppe, die Anschläge in Straßburg plante, nach seinen Angaben nur mit Hilfe von Handy-Verbindungsdaten aufgedeckt werden.

Immerhin habe Rot-Grün, so Netzer weiter, die Anforderungen an solche Maßnahmen durch eine Neuregelung in der Strafprozessordnung erhöht. Seit Jahresbeginn können die Verbindungsdaten nur noch für die Aufklärung „erheblicher“ Straftaten genutzt werden. Sonderregeln für Journalisten gibt es allerdings nicht.

Genau dies forderte Anwalt Lehr gestern unter Verweis auf das spezielleZeugnisverweigerungsrecht für JournalistInnen ein. Ganz tabu sollen die Verbindungsdaten von Medientelefonen allerdings auch nach seinem Willen nicht sein. „Zur Abwehr von ganz erheblichen Gefahren muss ausnahmsweise auch der Informantenschutz zurücktreten.“

Die Richterbank zeigte sich gestern wenig beeindruckt. „Wollen Sie etwa, dass Journalisten im Prinzip gar nicht beobachtet werden dürfen“, fragte Verfassungsrichterin Renate Jaeger: „Soll die Polizei etwa die Augen zumachen, wenn sie einen gesuchten Täter in Begleitung eines Journalisten sieht?“

Für einen Stimmungsumschwung sorgte möglicherweise der hessische Datenschutzbeauftragte Friedrich von Zezschwitz, der auf die Dimension der umstrittenen zulässigen Überwachung hinwies: „Es geht ja nicht nur um Handys und andere Telefone, sondern auch um die E-Mail- und Internetkommunikation“, so Zezschwitz. Außerdem könnten mit Hilfe der Handy-Daten „Bewegungsbilder“ erstellt werden, „bei Nutzung der neuen UMTS-Technologie sogar bis auf zehn Meter genau“.

Auch der Richtervorbehalt funktionere in der Praxis nicht, referierte von Zezschwitz: „Es ist nachgewiesen, dass Richter fast alles genehmigen, was die Staatsanwaltschaft beantragt.“

Das Urteil wird erst in einigen Wochen verkündet.

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