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Trittin subventioniert Luftverpester

Weil Volvo Probleme mit der Technik hat, fährt ein Teil der vom Umweltministerium geförderten Erdgas-Taxis in Berlin mit normalem Benzin: Damit die Schwierigkeiten nicht ruchbar werden, zahlt der Hersteller den konventionellen Treibstoff

BERLIN taz ■ In einer Rechtskurve setzt plötzlich der Motor aus. Damit funktionieren auch die Servolenkung und die Bremsen des neuen Volvo-Kombis vom Typ V70 nicht mehr richtig. Nur mit Mühe bringt der Fahrer den Wagen zum Stehen – auf dem seitlichen Grünstreifen. Die Fahrgäste zeigen sich überrascht.

Abenteuer Ökologie: „Im Gasbetrieb ist das Fahrzeug nicht verkehrssicher“, sagt ein Taxifahrer, der seit mehreren Monaten mit einem Erdgas-Volvo durch Berlin fährt. Um den Kunden einen Beinahe-Unfall zu ersparen, benutzt die Firma ihr Öko-Auto deshalb nur im Benzinbetrieb. Ein Schalter am Armaturenbrett erlaubt den Wechsel zwischen Erdgas und konventionellem Treibstoff.

Das alles wäre nur ein Problem zwischen Taxiunternehmen und Autohersteller, wenn die Erdgasfahrzeuge nicht als offizielle Botschafter einer neuen, umweltfreundlichen Technik unterwegs wären. Im Rahmen eines großen Erdgas-Werbe-Events weiht Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) heute am Potsdamer Platz in Berlin das 150. Umwelttaxi der Hauptstadt ein. Seit fast zwei Jahren gibt es dort das Projekt TUT. Die Abkürzung steht für „Tausend Umwelt-Taxis“. Jedes Fahrzeug wird vom Umweltministerium mit bis zu 3.000 Euro bezuschusst. Das gilt auch für die Wagen, die nunmehr mit Benzin rollen.

Volvo Cars Germany mit Sitz in Köln hat kein gesteigertes Interesse daran, dass der Missstand ruchbar wird. Um den Unmut der Taxifirmen zu besänftigen, ist man dort auf die Idee verfallen, das Benzin für die vermeintlichen Öko-Autos zu bezahlen. Für die Taxiunternehmen kein schlechtes Geschäft: Sie fahren gesponserte Fahrzeuge, und der Treibstoff ist kostenlos.

Michael Schroeren, Sprecher von Bundesumweltminister Trittin, räumt ein, dass die Situation „als Dauerzustand nicht tolerabel“ wäre. Da Volvo aber alles daransetze, der technischen Probleme Herr zu werden, wolle das Ministerium keinen Aufstand veranstalten.

Neben dem Umweltminister ist auch der Berliner Energieversorger Gasag an dem Projekt TUT beteiligt. „Wir ärgern uns maßlos“, sagt Gasag-Mitarbeiter Otto Berthold. Für Verstimmung sorgt nicht zuletzt, dass Volvo nicht in der Lage ist, die Pannen schnell zu beseitigen. Das fragliche Bauteil, ein Druckregler, den die Firma bei einem holländischen Lieferanten bezieht, setzt trotz aller Verbesserungen immer wieder aus. Erst musste Volvo die Produktion der Fahrzeuge für ein halbes Jahr unterbrechen, dann gab es ab „Ende 2001 sehr häufige Probleme“ mit den Taxis, die in Berlin in Betrieb sind, wie es beim Autohersteller heißt. Wann die technischen Schwierigkeiten behoben sein werden, ist unklar. „Ich kann Ihnen kein Zeitfenster nennen“, sagt Klaus Wick von Volvo Cars Germany.

Darüber, wie viele der subventionierten Erdgasautos mit Benzin fahren, gibt es unterschiedliche Angaben. Volvo schätzt die Zahl „auf zehn bis fünfzehn“ der bisher nach Berlin ausgelieferten rund sechzig Ökotaxis. Von den Taxiunternehmen ist dagegen anderes zu hören. Dort vermutet man, dass bis zu 50 Prozent der Fahrzeuge von Volvo im Erdgas-Betrieb nicht richtig funktionieren. Opel mit seinen etwa 50 Zafira-Taxis, die auf Erdgas laufen, und Fiat haben im Übrigen keine Probleme.

HANNES KOCH

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