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Der Leibwächter Bin Ladens

Vertrauensmann des al-Quaida-Chefs belastet vor dem Hamburger Oberlandesgericht den Angeklagten Motassadeq: „Er war bei einer Rede Bin Ladens dabei“

Die Rede war von Tausenden Toten. Amerika, kündigte Ussama Bin Laden schon Anfang vorigen Jahres in einem militärischen Ausbildungscamp nahe Kandahar an, werde „an der Wirbelsäule getroffen“. Niemand habe über einen konkreten Anschlag gesprochen. Aber alle im Camp wussten, „da ist etwas geplant“, sagte gestern im Prozess gegen Mounir El Motassadeq vor dem Hamburgischen Oberlandesgericht ein wichtiger Zeuge: der ehemalige Leibwächter Ussama Bin Ladens.

Shahid A. sitzt in Untersuchungshaft, weil er in Nord- rhein-Westfalen mit der Gruppe al-Tawhid Anschläge geplant haben soll. Bei einer Razzia gegen die sunnitisch-palästinensische Gruppe im April wurde der 25-Jährige mit zehn weiteren Verdächtigen festgenommen. Zuvor war er von Anfang 2000 bis Mai 2001 zur militärischen Ausbildung in Afghanistan. Weil ein Bekannter von ihm mit einer Tochter des al-Quaida-Chefs verheiratet ist, wurde er der Leibwächter Bin Ladens: „Ich sollte hinter ihm stehen, weil ich so groß bin.“

Aus der Aussage des Jordaniers folgt, dass die Vorbereitung der Anschläge vom 11. September offenbar anders gelaufen ist als von der Bundesanwaltschaft (BAW) in der Anklage gegen Motassadeq angenommen. Diese geht davon aus, dass die Todespiloten von New York und Washington ihre Tat in Harburg geplant und vorbereitet hatten. Shahid A. hingegen erklärte, dass an den Anschlägen von islamistischen Gruppen wie al-Quaida oder al-Tawhid drei „Zellen“ beteiligt seien: Die Anführer wie Bin Laden bestimmten das Ziel und die Form des Attentates. Eine zweite Gruppe bereite dieses vor, eine dritte vor Ort führe es dann aus. Demnach hätten die Todesflieger um Mohammed Atta nicht autonom gehandelt, sondern Anweisungen der al-Quaida-Spitze ausgeführt.

Die Aussage des 25-Jährigen zeigte auch, dass der wichtigste Mann der Harburger Terrorzelle vermutlich nicht Mohammed Atta, sondern Ramzi Binalshibh hieß. Binalshibh sei derjenige gewesen, der den Kontakt zu Ussama Bin Laden hielt. Binal- shibh, der inzwischen in den USA im Gefängnis ist, soll im Camp eng mit Bin Laden zusammengearbeitet haben. „Binalshibh war Mitglied der Führungsspitze“.

Mit seiner Aussage brachte Shahid A. auch den Angeklagten Motassadeq in Bedrängnis. Dieser hatte vor Gericht ausgesagt, dass Bin Laden nur gelegentlich in den militärischen Camps aufkreuze und er selbst ihm während seiner Anwesenheit nicht begegnet sei. Shahid A. hingegen sagte, Bin Laden habe im Camp bei Kandahar einen eigenen Wohnkomplex. Und er sei sich sicher, bei einer seiner Reden in der Moschee auch einen Mann gesehen zu haben, der ihm zuvor von Binalshibh vorgestellt worden war: Mounir El Motassadeq.

ELKE SPANNER

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