piwik no script img

Angriff der Chaoten

CDU und „Bild“-Zeitung machen Front gegen die Gemeinwesenarbeit St. Pauli und die Werkstatt 3: In beiden Einrichtungen gebe es „verfassungsfeindliche Aktivitäten“, sie sollen daher Fördergelder zurückzahlen. „Bild“ verfälscht Zitat

von PETER AHRENS

Die CDU unternimmt einen erneuten Versuch, gegen ihr missliebige Einrichtungen wie die Gemeinwesenarbeit GWA St. Pauli oder die Werkstatt 3 vorzugehen. Heute wird sie in der Bezirksversammlung Altona einen Antrag unter der Überschrift „Altona unterstützt keine verfassungsfeindlichen Aktivitäten“ einbringen, der explizit gegen die beiden Häuser gerichtet ist. Nach dem Willen der CDU soll künftig in jeden öffentlichen Zuwendungsbescheid ein Passus aufgenommen werden, „der eine Rückforderung der Gelder ermöglicht, wenn die Einrichtung mit verfassungsfeindlichen Organisationen zusammenarbeitet oder derartigen Organisationen Räume oder Kontaktadressen zur Verfügung stellt“.

Flankiert wird der Antrag durch eine groß aufgemachte Berichterstattung in der Bild-Zeitung („Kulturbehörde förderte Chaoten“), in der der Werkstatt 3 und der GWA genau dies vorgeworfen wird. Die Einrichtungen sind empört und erwägen rechtliche Schritte gegen die Bild.

Die CDU hatte bereits vor Wochen mit einer Großen Anfrage, betitelt „Werkstatt 3 und GWA St. Pauli: Dritte-Welt-Zentren oder Sammelpunkte gewalttätiger Autonomer?“, im Bezirk Front gegen die beiden Einrichtungen gemacht, sich damit aber eine Abfuhr eingeholt. Sowohl die Bezirksverwaltung als auch die Kulturbehörde hatten damals klargemacht, dass sie keine Hinweise auf verfassungsfeindliche Tendenzen unter dem Dach der beiden Einrichtungen haben. Das Bzeirksamt beschied klipp und klar: „Die Werkstatt 3 leistet als Kulturveranstalter wichtige Beiträge zur Realisierung der in der Globalrichtlinie Stadtteilkultur definierten Ziele.“ Und die Kulturbehörde teilte mit: „Der Behörde sind keine gewalttätigen Mitgliedsgruppen bekannt.“ Die Behörde zitierte anschließend CDU-Bürgermeister Ole von Beust mit den Worten: „Seit Jahrhunderten gehört Toleranz zu den Wesensmerkmalen dieser Stadt. Toleranz ist die Antwort der Gesellschaft auf die Frage, wie man mit anderen Menschen und anderen Ansichten umgeht.“

Nach dem gestrigen Sperrfeuer der Bild-Zeitung hat Kultursenatorin Dana Horáková in dieser Hinsicht einen Kurswechsel vollzogen. Sie werde sorgfältig prüfen, was an den Vorwürfen dran ist und sich danach eine Meinung bilden, hieß es von ihrem persönlichen Referenten Johannes Everke. Die CDU und ihr kulturpolitischer Sprecher in der Bürgerschaft haben ihre Meinungsbildung schon abgeschlossen. Sie haben unter anderem den Flüchtlingsrat, der „Widerstand gegen Abschiebung und Abschiebehaft unterstützt und illegalen Flüchtlingen hilft“ auf dem Kieker. Der Flüchtlingsrat trifft sich im Kölibri am Hein-Köllisch-Platz, dem Veranstaltungszentrum der GWA. Und die Werkstatt 3 wird von der Union mit „militanten Globalisierungsgegnern“ in Verbindung gebracht. Ehlers glaubt, dass dort „in Kursen angeboten wird, wie man Schienen ansägt oder Krallen auf Oberleitungen wirft“.

Der Landesverband Soziokultur reagiert mit Bestürzung auf die Attacke von CDU und Bild: „Die CDU instrumentalisiert diesen eh völlig unterfinanzierten Kulturbereich, um sich durch Skandalisierung und Radikalisierung am eigenen Machtgebaren zu laben“, kritisierte Yvonne Fietz, Sprecherin des Landesverbandes. Die Soziokulturzentren wie W3 und GWA „haben selbst in schwierigsten Stadtteilen eine stark deeskalierende und integrierende Wirkung“. Der Bild-Bericht dagegen wimmele von „Verleumdungen, Unwahrheiten und falschen Behauptungen“.

Für ihre entsprechende Berichterstattung macht die Bild-Zeitung in der Tat vor leichten Korrekturen der Wahrheit nicht halt: So wird aus der Selbstauskunft der W3 im Internet: „In den Veranstaltungsräumen führen viele externe Initiativen Treffen oder Veranstaltungen durch“ der Satz: „In den Veranstaltungsräumen führen viele extreme InitiativenTreffen oder Veranstaltungen durch.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen