: Ein ehrenwertes Haus
Heute beginnt das Hauen und Stechen im Bundesrat. Die Union versucht, die Regierungspolitik auszuhebeln
von CHRISTIAN FÜLLER und HANNES KOCH
Der Countdown läuft. Anfang Februar müssen sich die Landesregierungen in Hessen und Niedersachsen zur Wahl stellen. Bis zu dieser Revanchemöglichkeit der Union für die verlorene Bundestagswahl wird weiter Wahlkampf sein – und im Bundesrat wenig passieren. Das heißt: es wird eine Menge los sein. Schon heute beginnt die Zusammenarbeit des Bundesrats mit dem neu gewählten Bundestag. Das nationale Parlament bittet die Vertreter der Länder unter anderem, den so genannten Hartz-Gesetzen, der Ökosteuer sowie neuen Rentenbeiträgen zuzustimmen. Auf sichtbare Erfolge in der Länderkammer aber braucht Rot-Grün nicht zu hoffen.
Die unionsregierten Länder sind nämlich gewillt, aus den bislang eher in allgemeiner Form erhobenen Drohungen gegen die Regierung konkrete Politik werden zu lassen. „Die Verarschung des deutschen Volkes durch diese Bundesregierung ist ein Fortsetzungsroman. Das machen wir nicht mehr mit.“ So rüde leitete Reinhold Bocklet gestern die Bundesratssitzung ein. Bocklet ist bayerischer Bundes- und Europaminister. Wenn es um das Abstimmungsverhalten der Union im Bundesrat geht, wird der rundlich-gemütliche Mann so kühl und konsequent wie sein Chef Edmund Stoiber. Der hatte erst vor wenigen Tagen den Bundeskanzler als Witzfigur und Wahlbetrüger geschmäht. „Diese rot-grünen Dilettanten müssen endlich gestoppt werden“, lautete die Parole des Mannes, der Gerhard Schröder im Bund den Vortritt lassen musste.
Im Bundesrat aber sind Stoiber und die Seinen in der Mehrheit. 35 von 69 Stimmen sind in ihrer Hand, das heißt: Sie können die Gesetzesvorlagen des rot-grün dominierten Bundestags stoppen – oder in den Ausschüssen verzögern. Das wird die Union tun.
Egal ob Rente, ob Ökosteuer oder Hartz-Gesetz, der Bundesrat ist ab heute Endstation vieler Regierungsvorhaben – mit ganz unterschiedlichen Begründungen. Der Bundesratsminister der CSU kann aber auch ganz ohne Begründung.
Für den absehbaren Widerspruch des Bundesrats zur Erhöhung der Rentenbeiträge argumentiert er zum Beispiel so: Wenn Arbeitnehmer ab Januar statt 19,1 Prozent ihres Bruttolohns 19,5 Prozent bezahlen müssten, verletzte das die Generationengerechtigkeit. Seine Alternative zur Erhöhung? – Fehlanzeige. „Wir schauen, wie die anderen sich bewegen.“ Diese Strategie der Union ist paradox. Wenn der Bundesrat nämlich die Rentenbeiträge in die Ausschüsse zur Beratung bugsiert, dann tritt am 1. Januar eine Art Notbeitrag in Kraft – der bei 19,9 Prozent liegt, also höher und generationenungerechter als die 19,5 ist.
Die Gefechtslage an diesem Freitag scheint also denkbar einfach. Doch die Strategen der CDU wissen auch, dass eine Komplett-Blockade ihre Tücken hat. Die Front könnte zerbrechen, wenn die Interessen von Ländern und Unionsspitze im Bund differieren. Auch kann man den Wählern nicht vier Jahre lang dasselbe Schauspiel bieten, ohne sie zu langweilen. Von Zeit zu Zeit muss man die Aufführung ändern.
Mal stur, mal gesprächsbereit
Was die Union plant, soll daher wie eine intelligente Blockade wirken. Genau rechnet etwa der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Dietrich Austermann, durch, an welchen Punkten die Regierung letztlich obsiegen wird: Rente, Ökosteuer, Nachtragshaushalt 2002. Die Unionsländer können da zum Teil nur bremsen, weil die Gesetze nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Aber auch Kompromisse haben die Schwarzen schon eingeplant. „Bei den Mini-Jobs kann es am ehesten zur Einigung kommen“, sagt Austermann.
Die C-Parteien kritisieren vor allem, dass die neuen Kleinjobs bis 500 Euro Monatseinkommen nur bei Kindererziehung, Putzen, Pflege – im so genannten haushaltsnahen Bereich – stattfinden sollen. Die von Rot-Grün geplante Reduzierung der Sozialbeiträge bis 500 Euro müsse man in die gesamte Wirtschaft ausdehnen, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. So weit die Rethorik – die Zustimmung der Union ist billiger zu haben. „Es spricht vieles für Zustimmung“, heißt es in CDU-Kreisen. Zumindest, wenn die Union ein paar Verbesserungen heraushandeln könne.
So weit die gute Nachricht für Schröders Mannschaft. Doch die schlechte schiebt Finanzpolitiker Austermann gleich hinterher: „Mit ihrer Steuerpolitik fährt die Regierung gegen die Wand.“ Da gebe es kein Pardon im Bundesrat. Rot-Grün müsse „ein völlig neues Paket“ für den Haushalt 2003 schnüren.
Das ist eine Kriegserklärung. Hält die Union diese Position durch, kann die Bundesregierung ihr eigenes finanzpolitisches Konzept vergessen. Ohne eigenen Handlungspielraum auf dem zentralen Feld der Politik wäre sie der Union ausgeliefert – und müsste ihr Scheitern womöglich noch vor den nächsten Bundestagswahlen eingestehen.
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