„Hi, hier bin ich!“

Ab heute ist das Geheimnis keines mehr: Die Sängerin und Songschreiberin Senait ist die gemeinsame Kandidatin der taz und der Plattenfirma Polydor für den Grand Prix Eurovision. Eine junge Frau, die vor fünfzehn Jahren als Bürgerkriegsflüchtling aus Äthiopien/Eritrea nach Deutschland kam

Interview JAN FEDDERSENund THILO KNOTT

Termin in Hamburg. Senait hat Kaffee gekocht, auf dem Wohnzimmertisch stehen Croissants. „Bedienen Sie sich“, sagt sie. „So, was wollen Sie wissen?“ Senait, 25, ist die Interpretin von taz und Polydor für den Grand Prix Eurovision am 7. März in Kiel. Sie wird eine der beiden Melodien singen, die im taz-Textwettbewerb zur Auswahl stehen.

taz.mag: Senait, Sie werden am 7. März in Kiel am Vorentscheid zum Grand Prix Eurovision teilnehmen. Haben Sie unter den beiden Melodien, die zur Auswahl stehen, schon einen Favoriten?

Senait: Natürlich sind beide klasse! (lacht) Aber ich bin schon gespannt, welcher Song mit welchem Text gewinnen wird.

Mit welcher Art Musik möchten Sie beim Grand Prix antreten?

Eindeutig Pop! Da hat man die schöneren Melodien. Und mit einem Text, der eine Aussage hat, der für sich spricht, der jeden Menschen anspricht. Da muss jeder sagen: schöner Inhalt, schöner Song, schön vorgetragen.

Über Liebe?

Liebe ist relativ. Es kann auch ein Lied sein, das eine Gedankenwelt darstellt. Oder eine konkrete Geschichte.

Sie haben eine sehr spannende Lebensgeschichte. Mit zehn Jahren sind Sie aus Äthiopien nach Deutschland geflüchtet. Wie war das?

Meine Geschwister und ich, wir lebten in Äthiopien/Eritrea. Im Bürgerkrieg sind wir in eine Kaserne gekommen, aus der wir in den Sudan geflohen sind. Mein Vater war schon in Deutschland, der hatte hier Asyl beantragt und uns zu sich geholt.

Das war jetzt der Schnelldurchlauf. Ist das eine Zeit, über die Sie ungern reden?

Das nicht. Es hat sich ja alles zum Guten gewendet hat. Ich bin in Deutschland, ich bin in Sicherheit. Aber wenn ich von damals erzähle, spielen sich in meinem Kopf die einzelnen Geschichten immer und immer wieder ab. Und das powert mich aus.

Hatten Sie, als Sie im Sudan waren, eine Idee davon, was Sie in Deutschland erwartet?

Nicht wirklich. Wir haben bei meinem Onkel gewohnt – und da haben sie uns immer Geschichten erzählt, um uns die Angst vor der Reise nach Deutschland zu nehmen. So in der Art: In Deutschland machst du Mülleimer auf und die sind voller Bonbons und Geld. Wir waren zwar schon im Sudan und nicht mehr in Äthiopien, aber es war immer noch Afrika. Wir wussten nicht, was uns in Deutschland erwartet. Wir wollten nicht da hin, wir hatten Panik. Zumal man sich bei uns auch jede Menge Geschichten erzählt über Europa. Dass du blonde Menschen am Kopf nicht anfassen darfst, weil denen sonst die Haare ausfallen. Oder du darfst sie auch nicht berühren, sonst geht die Haut ab. Lauter seltsame Sachen. Oder ihr würdet stinken … (lacht)

 das mag ja auch vorkommen …

Ja, das tut auch ein Schwarzer, ein Chinese oder ein Inder. Und dann haben sie erzählt, Eis fällt vom Himmel, wahrscheinlich meinten sie Schnee. Und wir haben uns vorgestellt, das müssen richtige Brocken sein. Weil es in Afrika nur einen Eislieferer gab, der mit einem großen Eisblock kam. „Gibt es denn da Schutz?“, haben wir gefragt. „Ja, es gibt Regenschirme aus Eisen.“ Und wir sagten, Gott, wo gehen wir denn hin.

Wer hat Ihnen das erzählt?

Leute, die zu Besuch waren. Wir waren Kinder und haben alles geglaubt. Sie haben auch erzählt, alle Züge fahren unter der Erde, in Tunneln. Wir hatten dann furchtbare Angst vor der Dunkelheit. Und andererseits eben die Bonbons im Mülleimer. Wir kamen aus einer Welt, die weit entfernt war von dem, was wir hier sahen und erlebten.

Können Sie sich noch an den Tag erinnern, als Sie mit Ihren beiden Schwestern in Deutschland ankamen?

Wie könnte ich diesen beschissenen Tag vergessen? Es war der 9. Januar 1987. Und es hat geschneit, als wir in Hannover gelandet sind. Ich: „Nein, wir steigen nicht aus!“ Meine älteste Schwester: „Jetzt kommt!“ Und ich: „Nein! Nein!“ Gott, wir haben so gefroren in unseren afrikanischen Klamotten. Mein Vater erwartete uns mit wärmerer Kleidung, die er für uns gekauft hatte, und wir sind aufs Klo und haben uns umgezogen. Dicke Jacken. Und dann unsere erste Fahrt in einer Straßenbahn. Ey Alter, meine Schwestern und ich, wir haben uns mit so großen Augen angekuckt! So viele Albinos! Ich: „Geh da nicht ran, geh nicht ran, du weißt doch, was sie gesagt haben.“ Ich werde diesen Tag nie vergessen.

Wie waren Ihre ersten Tage in Hamburg?

Ich bin gleich zum Spielplatz gegangen. Und hatte auch sofort eine Freundin. Ich hab’ nichts verstanden, gar nix. Ich hatte wohl wahrgenommen, dass sie Bianca heißt. Bianca hat mir das Wort „Was“ beigebracht. Ich hab irgendwas zu ihr gesagt, und sie: „Was? Was? Was?“ Oh, ich kann ein deutsches Wort!

War Ihnen die Schule fremd?

Nein, ich habe mich recht schnell angepasst. Und beherrschte auch am schnellsten die Sprache. Ich konnte auch perfekt Englisch. Und in Mathe kannte ich schon den Stoff, der in Deutschland erst in höheren Klassen dran war. Bei uns in Afrika wird dir alles reingebrummt. Könnte ja sein, dass die Schule morgen bombardiert wird und es gibt keine Schule mehr. Oder der Lehrer ist weg.

Sie sagten, in Deutschland seien Sie in Sicherheit. Haben Sie das gleich wahrgenommen, als Sie in Deutschland ankamen?

Nein, das noch nicht. Es hat seine Zeit gedauert. Nachts habe ich schlecht geschlafen. Wir haben immer aus dem Fenster gekuckt, ob es jetzt einen Alarm gibt. Oder auf die Sirene gewartet, dass wir in den Keller müssen. Nach zwei, drei Monaten haben wir dann gerafft, dass über uns keine Bomber fliegen. Da wussten wir, wir sind da raus.

Wie war Ihr erstes Mal im Supermarkt?

Geil! (lacht) Wir kannten nur einen kleinen Tante-Emma-Laden mit einer Theke. Und den Markt, wo du Gemüse gekauft hast. Ja, das erste Mal im Supermarkt war lustig. Dosen waren die Sensation! Bei uns wurden Tomaten in Wasser gekocht, wenn wir Schältomaten haben wollten. Dann die Schale ab und die Tomaten kleingehackt. Alles selbst gemacht. Ich kannte frische Tomaten, aber Dosen, das kannten wir alles nicht. Oder dass man Zucker im Supermarkt kauft. In Afrika läuft das so: Du kaufst gleich drei Monatsraten Zucker beim Großhändler. Da musste ich immer die Säcke schleppen. Zucker ist richtig teuer bei uns. Unser Händler hatte Hunde, die waren echt heftig. Darüber habe ich mich im deutschen Supermarkt am meisten gefreut: Kein Hund, der mich anbellt und mir hinterherrennt.

Die erste Zeit in der Schule – war die hart?

Als ich in die Schule kam, waren alle Deutschen cool. Bis auf eine – Öclen. Die war so scheiße. Ich habe sie gehasst. Sie hat zu mir gesagt: „Wir können braun werden, wenn wir das wollen. Aber Ihr könnt niemals weiß werden, auch wenn ihr das wollt.“ Das hat mich zum Heulen gebracht. Ich muss sagen, durch sie habe ich mir gewünscht, blond, blauäugig und weiß zu sein, damit ich dazugehöre. Natürlich habe ich irgendwann begriffen, dass das nicht dazugehören muss, um sich als Deutsche zu fühlen.

Wie haben Sie sich gegen die Anfeindung gewehrt?

Ich habe die Leute erst beobachtet. Ich war gerade mal ein halbes Jahr in Deutschland. Und wenn jemand schnell gesprochen hat, dann brauchte ich meine Zeit. Ich war ruhiger, ängstlicher als die anderen. Eines Tages haben wir eine Erdkundearbeit geschrieben. Und Öclen hat mich immer abgelenkt. „Lass mich in Ruhe“, habe ich auf sie eingeschrien und ihr richtig eine verpasst, weil ich wütend war.

Damit haben Sie sich Respekt verschafft in der Klasse?

Absolut. Andreas zum Beispiel war der Schwächste in unserer Klasse. Als ihn die Lehrerin gefragt hat: „Was ist schwerer – ein Kilo Watte oder ein Kilo Metall?“ Da hat er geantwortet: „Ein Kilo Metall.“ So. Alle haben ihn drangsaliert. Daniel hat ihn dann mal zum Kartenspielen gezwungen, obwohl Andreas das gar nicht konnte. Da habe ich Daniel mit einem Stuhl durch den ganzen Schulhof gejagt und geschrien: „Lass endlich Andreas in Ruhe!“ Und er hat dann gesagt: „Michael Jackson ist schwul.“ Weil ich Michael-Jackson-Fan war. Aber mit dieser Aktion habe ich Geschichte gemacht in der Schule. Alle haben aus dem Fenster gekuckt – und Senait jagt Daniel durch die ganze Schule. Das ist mein Gerechtigkeitssinn. Mich konnte niemand dissen.

Waren Sie mal Klassensprecherin?

Nö. Ich hatte keine Lust, Verantwortung zu übernehmen und wegen irgendeiner Sitzung um sieben Uhr zu kommen. Ich fand die Schule schon anstrengend genug. Jeden Morgen um acht Uhr zu kommen, das hat gereicht. Ich musste oft nachsitzen, weil ich immer zu spät gekommen bin. Dienstag, erste Stunde Biologie. Jeden Dienstag bin ich zu spät gekommen. Ich konnte um sieben Uhr in die Bahn einsteigen, die Bahn ist immer zu spät gekommen. So ein Schicksal aber auch. (lacht) In Biologie war ich so schlecht: fünf, fünf, fünf – die beste Arbeit war eine Vier-minus.

Und die besten Fächer?

Physik, Chemie, Mathematik, Englisch und Deutsch war ich sehr gut. Deutsch, Grammatik.

Deutsche Grammatik, erstaunlich!

Das ist normal. In den ersten Zeiten, wenn du in Deutschland bist, konzentrierst du dich nur auf die Sprache. Deswegen kannst du das. Du bist drauf aus, das zu können. Ausländer können deshalb teilweise besser Deutsch als Deutsche. Weil es angelernt ist.

Sie haben bei Ihren Lieblingsfächern nicht Musik genannt!

Ich hatte auch nur Gitarrenunterricht. Und Schulchor, aber das war grausam. Gitarre war total langweilig – ich wollte immer richtig abgehen, aber wir haben nur so lahme Stücke gespielt, „Lady in Black“ von Uriah Heep. (singt müde) „She came to me one morning …“

Sie sagen heute: Ich bin Deutsche. Wann fing es an, dass Sie weniger afrikanisch wurden?

Das kann man nie so sagen. Wenn du Teenager bist, hast du andere Gedanken. Da denkst du nicht über Afrika nach. Auch nicht über Deutschland. Da gibt es andere Themen: Pubertät, Erwachsenwerden, Pickel, Jungs. Erst als ich erwachsen wurde, wollte ich schon mehr über mein Land wissen.

Wie haben Sie angefangen, sich mit Deutschland auseinanderzusetzen?

Ich habe Deutschland immer wahrgenommen. Aber wie gesagt: Mit zehn habe ich nicht ständig über Deutschland oder Afrika nachgedacht. Beim Ersten Weltkrieg in der Schule habe ich angefangen, mich zu fragen: Wo bin ich hier?

Hatten Sie Heimweh nach Äthiopien?

Nein, das nicht. Nur wenn du drüben bist und wieder nach Deutschland zurückkommst – dann ist da ein tiefes Durchatmen. Dann brauchst du zwei Tage, um dich zu regenerieren.

Was macht dieses Durchatmen aus?

Ich mag Deutschland. Aber hier gibt es sehr wenig Liebe. Die Leute nehmen sich hier viel weniger Zeit füreinander. Bei uns in Afrika bringst du Oma und Opa nicht ins Altersheim, weil sie dir zum Problem werden. In Afrika werden ältere Menschen wahnsinnig respektiert. Wenn jemand aus dem Haus geht, gehen die Jüngeren, aber nicht Opa, Oma oder Vater, Mutter. Oder in der Nachbarschaft: Es ist unglaublich, wie selbst in den großen Städten Afrikas jeder zu jedem hält. Deutschland hat das nicht. Wenn jemand sagt: „Meine Alten gehen mir auf den Sack“, dann klingt das für mich respektlos.

Nach der Realschule haben Sie den Abschluss auf dem Wirtschaftsgymnasium gemacht. Danach haben Sie sich zur Anwaltsgehilfin ausbilden lassen. Ihr Weg hat Sie nicht direkt zur Musik geführt. Warum?

Na ja, ich hatte nie Zweifel, Musik machen zu wollen. Aber gleichzeitig habe ich mich gefragt: Vielleicht hat mein Vater doch Recht? Mein Vater wollte immer, dass ich einen Doktor, das heißt einen anständigen Beruf mache. Ich habe dann angefangen, Jura zu studieren.

Warum Jura?

Vielleicht, um dem Traum meines Vaters nahe zu kommen. Vielleicht hatten die Eltern doch recht, dachte ich. Aber das war total langweilig. Dann habe ich beschlossen, wenigstens Anwaltsgehilfin zu werden. Hauptsache eine Ausbildung. Darüber hinaus habe ich mir gesagt: Mach Musik! Ich habe die Ausbildung durchgezogen und mich dann auf die Musik konzentriert.

Anwaltsgehilfin – hat das Spaß gemacht?

Es war furchtbar. Ich bin keine Büro-Maus. Aber ich hab’s durchgezogen.

Jetzt sind Sie Sängerin, nicht mehr Anwaltsgehilfin – wie fing das an?

Bei mir hat das mit einer Annonce im Hamburger Stadtmagazin Oxmox angefangen, mit einem Casting für ein Gesangsquartett à la En Vogue. Den Termin habe ich verpasst und bin erst zwei Tage später aufgekreuzt. „Hi, da bin ich“, habe ich gesagt. „Okay, dann mach mal“, sagten die. Und ich habe einfach angefangen zu singen. „Willkommen im Club“, hieß es dann. Das war der Anfang von Corniche, unserer Band. Das ging ein Jahr lang gut.

Warum nur ein Jahr?

Ach, mir ging es tierisch auf den Geist, dass ich immer alles machen musste. Ich war die Songwriterin, ich habe das Coaching übernommen. Die anderen hatten nicht meinen Ehrgeiz, nicht die Geradlinigkeit. Da ist dann eine mal nicht ins Studio gekommen mit der Begründung: „Ich bin mit meinen Haaren noch nicht fertig.“ Das hat genervt. Ich bin dann ausgestiegen. Du kannst als Team nicht gut sein, wenn du einen Schwachpunkt hast, der das Ganze nach unten reißt. Einmal hat uns ein Manager von Epic gehört und danach gesagt: Ich höre nur Senait heraus, das ist nur Senait-Musik. Das hat mich traurig gemacht, weil sein Kommentar bedeutete: Wir sind kein Team!

Das war der Grund, warum Sie solo weitergemacht haben?

Ja, dann hat mich Polydor unter Vertrag genommen. Die erste Single „Aura“ ist nicht in die Charts gekommen, hat aber für großes Feedback gesorgt. So fing das an. Seitdem bin ich bei Polydor.

Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie bisher gemacht haben?

Ja, auch wenn es anstrengend war. Ich finde auch neue Seiten an mir, meiner Art zu schreiben. Dadurch lerne ich mich besser kennen. Ich merke, dass ich vor zwei Jahren wesentlich schlechtere Songtexte geschrieben habe als jetzt. Das ist Lebenserfahrung, die du irgendwann besser formulieren kannst.

Wie würden Sie sich als Musikerin beschreiben?

Keine Ahnung. Ich habe eine Stimme, die sehr wiedererkennbar ist. Eine Art zu schreiben, die sehr wiedererkennbar ist. Man hört meine Schlenker heraus. Ich bin wie ich bin. Ich kann mich selbst nicht in eine Schublade einordnen.

Sie haben für andere Menschen auch keine Schubladen?

Für das, was ich gut finde, nicht. Es gibt Leute, die gehören in eine Schublade: Jeanette Biedermann oder Sarah Connor. Das ist ein Stil. Xavier Naidoo hat so einen Touch von der Schublade Herbert Grönemeyer. Du hörst auch teilweise, dass er so singt wie er. Wahrscheinlich hat er mit dreizehn die ganze Zeit Grönemeyer gehört – und das hörst du heute noch raus. Vielleicht entwickelt sich das auch bei mir, dass man sagt: Die gehört in die und die Schublade. Aber im Moment sehe ich das nicht.

Haben Sie ein erklärtes Ziel?

Mein Ziel ist, Anerkennung für meine Arbeit zu bekommen. Und Anerkennung heißt natürlich auch Erfolg.

Haben Sie bei dem, was Sie machen, auch Selbstzweifel? Oder ruhen Sie in sich?

Beides. Wenn ich vom Studio zurückkomme und mir meine Songs anhöre, erfüllt mich das manchmal mit Glücksgefühlen. In solchen Momenten denke ich: Cool, das ist dein Text, deine Idee, deine Musik, dein Kopf. Und Zweifel? Vielleicht eher als Angst. Du tust und machst – und dann kommen die Momente, wo du dich fragst: Wofür?

Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?

Es geht immer um die Art, wie du Rückschläge auffängst. Ich könnte ja auch stundenlang sagen: O Gott, hatte ich eine beschissene Kindheit. Und mich dann stundenlang bemitleiden. Aber das interessiert doch keine Sau. Genauso wenig interessiert es, wenn du dein Ding machst. Aber dann hast du deinen Weg gefunden: Wenn ich versage, versage ich für mich. Und wenn ich gewinne, gewinne ich für mich. Naja, und für die taz (lacht).

Schauen wir mal in die Zukunft: Kiel, 7. März, 21 Uhr – Sie haben drei Minuten Zeit für Ihren Song. Wie stellen Sie sich die vor?

Ich male mir das nicht bis ins Kleinste aus. Ich komme an auf der Bühne, ich singe, ich bin glaubwürdig. Ein paar Bandmitglieder, zwei Background-Sängerinnen – und ich davor. Ich sehe das Kleid, das ich anhabe: beige. Und ich würde so gerne barfuß auftreten. Das ist ein schönes Gefühl auf der Bühne.

Den letzten Vorentscheid zum Grand Prix Eurovison hat Corinna May gewonnen – war das Ihr Fall?

Total langweilig. Nichtssagend. Es geht nicht um ihre Bewegungen, aber ich hätte es anders gemacht. Ich hätte sie auf einen Hocker gesetzt, ein bisschen weiblicher gemacht, einen Chor dazu. Und sie sitzt und konzentriert sich nur auf die Musik. Einer Blinden zu sagen, stell dich da hin und tanz mal – das geht nicht. Sie kann nicht sehen. Und sie weiß nicht, ob vor oder hinter ihr eine Stufe ist. Das ist eine Zumutung für sie gewesen. Sie wurde belächelt.

Macht Sie die Vorstellung nervös, dass am 7. März fünfzehn Millionen Menschen vor den TV-Geräten sitzen und Ihnen zuschauen?

Lampenfieber ja, aber keine Nervosität. In dem Moment nehme ich die Kamera wahr und die Zuschauer. Aber meistens bin ich so auf mich fixiert und auf meine Musik konzentriert. Ab dem zweiten Ton bin ich wie in Trance.

THILO KNOTT, 30, ist taz-Redakteur für besondere Aufgaben. JAN FEDDERSEN, 45, ist Redakteur im taz.mag