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Keinen Cent mehr für Mielkes Vergangenheit

Witwe von Erich Mielke verliert Prozess um höhere Rente. Sozialgericht urteilt, Mielke sei nicht wegen der Verfolgung durch Nationalsozialisten im Ausland geblieben, sondern aus Angst vor Strafverfolgung wegen Polizistenmord

Die Witwe des früheren Stasi-Chefs Erich Mielke bekommt wegen der Flucht ihres verstorbenen Mannes in den Dreißigerjahren keine höhere Rente zuerkannt. Das Landessozialgericht Berlin entschied gestern, dass Gertrud Mielke keinen Anspruch auf eine so genannte Ersatzzeit bei der Rentenberechnung habe. Eine solche hätte der 92-Jährigen für den Fall zuerkannt werden können, dass ihr Mann vor den Nationalsozialisten hätte fliehen müssen. Das Landessozialgericht verwies darauf, dass nicht nationalsozialistische Verfolgung der Grund für die Flucht Mielkes war, sondern dessen Angst vor Strafverfolgung nach der Ermordung zweier Polizisten.

Mielkes Anwälte wollten erreichen, dass der Auslandsaufenthalt Mielkes vom August 1931 bis Dezember 1944 als verfolgungsbedingt angesehen wird. Sie argumentierten, Erich Mielke hätte wegen der Nationalsozialisten nicht nach Deutschland zurückkommen können. Dem hielt das Landessozialgericht entgegen, dass Mielke auch unter rechtsstaatlichen Verhältnissen nicht nach Deutschland zurückgekehrt wäre, weil ihm eine Strafverfolgung wegen des Polizistenmordes gedroht hätte. Zum Zeitpunkt von Mielkes Flucht 1931 hätten in Deutschland schließlich noch rechtsstaatliche Verhältnisse geherrscht.

Das Berliner Landgericht hatte Erich Mielke wegen der Polizistenmorde vom Berliner Bülowplatz 1993 zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach der Tat war das damalige KPD-Mitglied 1931 zunächst nach Belgien geflohen. Von dort gelangte er 1940 in die Sowjetunion, bevor er 1945 nach Deutschland zurückkehrte. Zu DDR-Zeiten wurde er wegen der Tat nicht belangt, deshalb begann der Mordprozess gegen ihn erst nach der Wiedervereinigung. Mielke war im Mai 2000 im Alter von 92 Jahren gestorben.

Das Landessozialgericht folgte mit seiner Entscheidung der Vorinstanz. Bereits das Berliner Sozialgericht hatte eine Klage Gertrud Mielkes gegen den Rentenbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) abgewiesen. Die 92-Jährige hätte im Falle eines Erfolges monatlich mindestens 100 Euro mehr Witwenrente bekommen. Sie bezieht derzeit ein Altersgeld von monatlich 525 Euro. AFP

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