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Kolumne Nullen und EinsenNazi-Horror-Porno

Meike Laaff
Kolumne
von Meike Laaff

Dieses Internet, das ist keine ungebändigte Bestie und keine Naturgewalt. Trotzdem soll es Schuld haben – an allem.

Das Internet ist Schuld an der Krise der Pornoindustrie. Bild: dapd

D as Internet kann einem ziemlich leidtun dieser Tage. An so ziemlich allem soll es schuld sein:

Zumindest mitschuld an der Zeitungskrise.

Daran, dass Menschen sich online mehr beschimpfen als analog.

taz
Meike Laaff

ist Redakteurin im Ressort tazzwei.

Daran, dass Google so reich ist und so mächtig und machen kann, was es will. Und Facebook. Und Apple.

Dass die Leute lieber bei Amazon und eBay oder Zalando einkaufen und darum der Einzelhandel von Karstadt bis Dussmann den Bach runtergeht.

Daran, dass die Jugendlichen abwechselnd verdummen und verrohen.

Die Erwachsenen aber auch.

Daran, dass wir auch abends und im Urlaub und überhaupt immer online für den Job erreichbar sein müssen.

Dass wir die Kontrolle über unsere Daten verloren haben.

An der Piratenpartei.

Daran, dass die verdummten Internetuser nur unterkomplexe Artikel mit Nazi-Horror-Porno-Überschriften klicken und nicht das, was wirklich wichtig ist.

Dass man neuerdings alles in 140 Zeichen sagen muss.

Habe ich die Piratenpartei schon erwähnt?

Dass wir immer mehr Rückenschmerzen und Sehnenscheidenentzündungen haben.

Daran, dass schon Zweijährige iPads bedienen können.

Auf denen sie ein paar Jahre später viel zu viele Pornos gucken.

An der Krise der Musikindustrie.

An der Krise der Pornoindustrie.

An der Krise der Kinos.

An der Krise der Buchbranche.

Generell an der digitalen Kostenlos-Mentalität junger Menschen.

Dieses Internet, das ist keine ungebärdige Bestie, keine Naturgewalt. Es ist ein Medium, ein weltumspannendes Netzwerk, in dem Datenpakete hin- und hertransportiert werden. Erdacht, bedient und gestaltet von Menschen.

Viele Effekte, die wir dem Internet zuschreiben, werden von lauter Ichs und Dus gemacht. Mal Hand aufs Herz: Noch nie bei Amazon eingekauft? Doch? Aber trotzdem über die Bredouille des Buchhandels meckern?! Noch nie einen Porno im Netz geschaut? Noch nie jemanden wüst geschimpft? Noch immer das E-Mail-Konto bei Gmail?

Liebe Zeitungsverleger: Neben dem Werbe- und dem Paid-Content-Modell auch mal neuen Geschäftsmodellen eine Chance gegeben? Und liebe Onlineleser: Auch mal drüber nachgedacht, für anständigen Journalismus im Netz zu zahlen, ohne dazu gezwungen worden zu sein?

In vielen Bereichen können wir ganz gut mitbestimmen, wie das Internet aussehen soll – als Gesamtmenge aller Dus und Ichs. Heißt: Nicht das Internet ist schlimm. Sondern wie sich die Mehrheit dort verhält. Wer das ändern will, der sollte zuallererst mal anfangen, sich selbst auf die Finger zu gucken.

Ich könnte gleich morgen damit anfangen. Mal endlich ein Flattr-Konto einrichten, um Kreative im Netz zu fördern. Oder was für meinen Datenschutz zu tun – und diese geschwätzige What’s-App-App von meinem Smartphone werfen.

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Meike Laaff
tazzwei-Redakteurin
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8 Kommentare

 / 
  • J
    JAN

    An den meissten Kommentaren merkelt es gewaltig.

    Nullen und Einsen eben.

    I`s doch wie Abi 90 in Norddeutschland.

    Horst, Sacha und Johan Otto;

    müssten mal zusammen Chatten,

    da koennte was bei rumkommen.

    Denen eine

    Beinharte Bagalutenweinacht.

     

    Der "Rote Erik"

     

    Abtauende Gruesse bis Berlin

     

    FRL. LAAF

    JP™

  • P
    Pfennigfuchser

    "Und liebe Onlineleser: Auch mal drüber nachgedacht, für anständigen Journalismus im Netz zu zahlen, ohne dazu gezwungen worden zu sein?"

     

    Netter Versuch, taz. Netter versuch.

  • P1
    Pulitzer - 100.000 Euro Recherche

    Anständiger Journalismus wäre z.b. rauszufinden, ob die griechische Küstenwache im Spätsommer 2009 36 Menschen aus dem Iran durch Abstechen ihres Bootes ermordet hat oder was aus den amerikanischen Marines und britischen Marinetrainern der NATO-Basis in Souda geworden ist, die die Etz Hayyim Synagoge von Chania Anfang 2010 zweimal abgefackelt haben.

  • C
    chrysophylax

    Und, schon das flattr-Konto eröffnet ? Guter Plan. Ich hab flattr schon relativ lange und ärgere mich beliebig häufig im Internet, dass es unter der Seite, die ich gerade betrachte und gut finde keinen Flattr-Button gibt. Ich werf nämlich gern mal anderen Leuten was in den Hut. Gerade eben zum Beispiel ;)

  • JO
    Johann Otto

    Meike Laaffs Anmerkungen in Ihrer Kolumne gefallen mir sehr. Wenn Zeitungen sich fortwährend, atemlos und ohne Pause wie dominahafte Erziehungsberechtigte aufführen und gegenwärtig eine Art rotgrünes CDU-SPD-Umerziehungslager für uns alle anstreben, zudem penetrant und ohne allem Zweifel im derzeitigen Euro-Zwangseuropa das Ideal politischen Handels sehen, und nur eben das, und das alles verteidigen als stünde ansonsten ein neuer Krieg bevor, dann hat der Leser, ob als als nerviger oder sympathischer Gutmensch, von alldem irgendwann die Nase gestrichen voll. Zudem haben glorreiche Gewerkschaften ohne Verantwortungsgefühl eine Verteuerung der Zeitungen herbeigeführt, die sich indessen gleichfalls als verhängnisvoll erweist. Die Drucker verdienen sich mittlerweile dumm und dämlich, wollen aber immer mehr, wir werden es bald wieder erleben - für den Preis einer beliebigen Tagesausgabe heute erhielt man früher eine Reclam-Ausgabe Weltliteratur. In meinem Haus leben zehn Familien, ich bin der einzige Abonnent einer Tageszeitung. Liebe Gewerkschaften, mal darüber nachdenken!

     

    Für Beiträge der taz, die mir gefallen, also nicht für alle, zahle ich regelmäßig einen Beitrag. Ich möchte, daß die taz ihr Erscheinen als gedruckte Zeitung (kaufe immer die Wochenendausgabe zusammen mit der FAZ), aber auch digital beibehalten kann – als wahrliche Bereicherung des Informations- und Meinungsspektrums in Deutschland. Immer wieder finde ich in der taz hochinteressante Beiträge, die sich durch FAZ-Qualität auszeichnen, aber dort nicht zu finden sind. Ergebnis: Vorurteile gegenüber der taz abgebaut – bin weder ein Linker noch ein Rechter, kein Gutmensch, lediglich Normalbürger mit kühlem nüchternen Blick auf das Geschehen ringsherum und mit viel Freude am Leben. Danke!

  • H
    haudrauf

    meike ist genial.

     

    gehaltserhöhung für sie und zwar sofort.

     

    glaube man/frau sollte eine fangruppe gründen.

  • H
    horst

    saugute glosse.

     

    was nicht ganz stimmt ist die "krise" der kinos. ich habe bei mir vor ort den eindruck, dass immer mehr dieser riesigen multiplexkinos entstehen und auch ausreichend kundschaft haben dank der kostenlosen werbung auf kinox.to etc. habe mir erst jüngst skyfall auf kinox angesehen und bin dann ins kino gegangen. new kids nitro habe ich nur über kinox kennengelernt und habe ihn mir dann drei mal!! im echten kino angesehen.

     

    die kleinen kinos sterben gerade weg. aber das ist einerseits dem kapitalismus geschuldet und andererseits den immensen digitalisierungskosten, die sich die kleinen nicht leisten können. außerdem kann ich nicht immer nur arthousefilme sehen. mein hirn braucht ab und zu auch entlastung.

     

    habden artikel auch nur geklickt wegen der überschrift. entlarvend.

     

    nochmal danke.

  • S
    Sascha

    Ich hatte die Diskussion über kostenlose Artikel im Netzt und die daraus resultierenden Probleme habe ich schon öfter mit Freunden geführt (frei Journalisten).

     

    Gute Artikel dürfen Geld kosten und sollen auch bezahlt werden.

     

    Mein Problem mit den ganzen Kleinbeträgen ist nicht das "Was ist mir der Artikel Wert", sondern eher "Was ist ein realistischer Preis".

     

    Es kann mir bisher niemand sagen: Dieser Artikel kostet uns X und wird wahrscheinlich Y mal bezahlt und darum wäre Z ein fairer Preis.