Neurechte „Friedensbewegung“: Im Kampf gegen die Medien-Mafia
Im Internet und mit „Montagsdemos“ macht eine neue Bewegung mobil. Verbreitet werden rechte Phrasen und Verschwörungstheorien.
BERLIN taz | Im Internet haben sie zum „Guerillakrieg“ gegen die deutschen „Propagandamedien“ aufgerufen. Nahezu alle großen Nachrichtenportale, darunter auch die taz, werden in den Kommentarspalten zu Texten aller Themenbereiche und in den sozialen Netzwerken von Kommentaren überflutet. Die Verfasser sammeln sich in der neurechten „Friedensbewegung 2014“, sie sind getrieben von der Vorstellung, dass die „Medien-Mafia“ einen dritten Weltkrieg gegen Russland entfesseln will und deshalb die Friedensaktivisten systematisch ignoriert.
Unter dem Label „Montagsdemos“ haben sie sich in den vergangenen Wochen in mehreren Städten zu Kundgebungen versammelt. Sie haben die Reste linker Anti-Hartz-IV-Montagsdemos unterwandert oder, wie in Berlin, eigene Demos geschaffen. Die Organisatoren des Bündnisses „Weg mit Hartz IV!“ haben sich bereits distanziert und vor Verschwörungstheorien sowie „nationalistischen und rassistischen“ Tendenzen gewarnt.
Wer steht also hinter der Bewegung, die vor allem Online einen gewaltigen Wirbel erzeugt und unter irreführenden Begriffen in die politische Debatte einzugreifen versucht?
Maßgeblicher Akteur der „Friedensbewegung 2014“ und Anmelder der Berliner Demonstration ist der Eventmanager Lars Mährholz. Der 32-Jährige beschreibt sich selbst als „weder rechts noch links“, womit er genau die halbe Wahrheit sagt. Denn tatsächlich bewegt sich Mährholz, der zuvor politisch noch nicht weiter aufgefallen ist, mit seinen Aussagen im Spektrum der Neuen Rechten und obskurer Verschwörungstheoretiker.
In einem Interview mit Voice of Russia auf der Demonstration in Berlin erklärt Mährholz, an allen Kriegen der letzten 100 Jahre sei ausschließlich die US-Notenbank Federal Reserve Schuld. Nachgeschoben ist stets der Satz, bei der FED handele es sich um eine Privatbank. In rechten Kreisen ist die Entcodierung dieser Aussage lange bekannt und mündet in der Schlussfolgerung: Das jüdische Finanzkapital ist die Ursache allen Übels in der Welt.
Antisemitisch und geschichtsrevisionistisch
„Das ist Geschichtsrevisionismus und eine unglaublich brutale Verharmlosung der Shoa“, schreibt die Ex-Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth dazu auf Facebook. „Mährholz verrät mit der konkreten Wortwahl, woher er u.a. seine geringe und antisemitische Bildung hat: von der rechtsesoterischen 'Zeitgeist-Bewegung', die in manch einem Occupy-Camp massiv vertreten war. So funktioniert antisemitische Schulung in vermeintlich alternativen Kreisen.“
Auf seiner Webseite schreibt Mährholz, dass „Deutschland unter Verwaltung steht.“ Zudem verlinkte er auf seiner Seite ein Video mit der Überschrift „Einige unserer Volksvertreter wachen auf“. Darunter schrieb er: „BIA-Stadtrat Karl Richter weißt auf die erhebliche Verantwortung westlicher Politiker und Parteien für die Eskalation in der Ukraine hin (sic!).“ Richter arbeitet für die sächsische NPD-Landtagsfraktion und sitzt für die Bürgerinitiative Ausländerstopp im Münchner Stadtrat.
Mit Mährholz verbündet haben sich weitere prominente Akteure der Verschwörungstheoretiker. So macht Ken Jebsen Werbung für die Bewegung, auch auf einer Demonstration in Berlin ließ er sich bereits blicken. Der frühere Moderator des Rundfunksenders RBB wurde einst vom Sender gefeuert, weil er antisemitische Äußerungen verbreitete. Auch das Querfront-Magazin Compact versucht, auf den Demonstrationen seine Wahrnehmung zu erhöhen.
Unterstützung durch falsche „Anonymous“-Seite
Im neurechten Konglomerat mischt noch ein weiterer Akteur mit, der ebenso unangenehm wie verbreitungsstark ist. Seit ihrem Auftauchen wird die „Friedensbewegung“ über die Facebook-Seite „Anonymous Kollektiv“ beworben. Die 400.000 Abonnenten der Seite werden dort mit einem irren Mix aus rechten Phrasen, Verschwörungstheorien, Propaganda-Videos und -Bildern beliefert. Dass dahinter nicht die Internet-Aktivisten von „Anonymous“ stecken, ist bereits bei einem flüchtigen Blick auf das Profil klar. Denn die klassischen Anonymous-Themen wie Internetzensur und Informationsfreiheit finden sich dort genauso wenig wie eine eher anarchistisch geprägte Herrschaftskritik.
Auf der Plattform findet sich auch ein Video mit dem Titel „Nachricht an die deutsche Bevölkerung“, das in Kreisen der vorgeblichen Friedensaktivisten große Verbreitung gefunden hat. Darin wird in völkischem Tonfall die Erhebung des deutschen Volkes gefordert.
Eine Computerstimme hetzt in den schwer erträglichen zehn Minuten einmal durchs rechtsextreme Vokabular. Ausgesprochen wird sich gegen „Masseneinwanderung und Multikultiwahn“, „politische Korrektheit“ und die „sexuelle Umerziehung unserer Kinder“. Schließlich fordert sie die Auflösung der „BRD GmbH“ – eine Vorstellung, die die Bundesrepublik als Firma begreift, die aus den USA gelenkt wird. Fehlen darf auch nicht das Eintreten gegen eine „EU-Diktatur,“ die mit dem Kürzel „EUSSR“ versehen wird. Dass Lars Mährholz sein Facebook-Profil auch für AfD-Werbung nutzt, ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich.
Antimilitaristen gehen auf Distanz
So unappetitlich und absurd die verbreiteten Thesen auch sind, tausende Menschen lassen sich derzeit von der Propagandamaschinerie zu politischen Aktionismus bewegen. Bei einigen mag politische Naivität eine Rolle spielen, andere dürften sich freuen über den Sumpf aus Antisemiten, //www.antifainfoblatt.de/tags/reichsb%C3%BCrger:Reichsbürgern, Neonazis, Chemtrail-Theoretikern, Anhängern der Truther-Bewegung und all den anderen obskuren Rechten, die um ein Mehr an Einfluss buhlen – getreu dem Motto: Deutschland erwache.
Alteingesessene linke Antimilitaristen, die vor der Beteiligung der neurechten Bewegung bei ihren Ostermärschen am Wochenende fürchten müssen, warnen vor den neuen „Friedensaktivisten“. „Sage keiner, er habe es nicht gewusst“ lautet der Schlusssatz einer scharfen Abgrenzung der „Kooperation für den Frieden“.
UPDATE: In einer ersten Version des Artikels berichteten wir über den angeblichen Admin der Facebook-Seite „Anonymous Kollektiv“. Da dieser seine Verbindung zu der Seite bestreitet, haben wir diese Passage gestrichen.
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