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Debatte Flüchtlinge als WirtschaftsfaktorSie steigern das Bruttosozialprodukt!

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Deutsche Firmenchefs freuen sich über eine neue Humanressource: Flüchtlinge. Doch der Ökonomisierung von Menschen sind Grenzen gesetzt.

Zukünftige Einzahler in die Rentenkassen, ohne soziale Hängematte ruhend. Foto: dpa

D er Weltgeist hat gerade ein gutes Timing, was die Solidarität der Völker angeht. Zumindest in Deutschland: Flüchtende treffen auf volle Kassen und offene Stellen, einen Exportweltmeister, dem die Sonne aus dem Hintern scheint. Dann eben ein paar Milliarden weniger Haushaltsüberschuss – selten konnte ein Land so viel Menschlichkeit aus der Portokasse zahlen.

Und selten hat sich unsere globalisierte Industrie so positiv in einer politischen Debatte ausgewirkt: Firmenchefs heißen Flüchtende willkommen, Konzerne suchen unter ihnen nach Fachkräften und Ingenieuren. Das führt zu einem glücklichen Zusammentreffen von ökonomischem Kalkül und Hilfsbereitschaft.

Für die Lenker von Weltkonzernen wirken Landesgrenzen heute ohnehin wie seltsame Relikte aus einer archaischen Vorzeit. Die Industrie fordert seit Jahren ein Einwanderungsgesetz, das diesen Namen verdient hat, mit dem sich Spitzenkräfte auch außerhalb der EU ohne Probleme anwerben lassen könnten.

Die deutsche Wirtschaft mag hier verwurzelt sein, aber längst hat das Label „Made in Germany“ nichts Nationalstolzes mehr. Es ist schlicht ein nützliches Klischee, mit dem PR-Abteilungen weltweit Qualität anpreisen. Das Mantra der Chefetagen lautet: Der ökonomische Erfolg Deutschlands hängt von seiner Weltoffenheit ab.

Man muss die Flüchtenden noch ein wenig aufarbeiten wie Eisenerz oder verschlacktes Öl, dann lassen sie sich prima verwerten.

Deshalb sind Multikulti-Paranoiker gerade auf ihren xenophoben Kern reduziert: die Angst vor dem Fremden, Antiislamismus. Ihr ewiges Argument, dass „die“ uns die Arbeitsplätze wegnehmen, ist schnell widerlegt. Die Wirtschaft will Flüchtlinge in die Wertschöpfungsketten der Industrie einbetten (BDI-Chef Ulrich Grillo) und macht Druck auf die Politik, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Sekundiert von den Soziologen, die auf die Überalterung der Gesellschaft verweisen: Flüchtende als künftige Rentenzahler.

Trotzdem bleibt bei dieser Ökonomisierung der Flüchtenden ein seltsamer Beigeschmack. Niemand sollte die offenen Arme der Industrie mit offenen Herzen verwechseln. Sicherlich werden die Bilder entkräfteter syrischer Familien an überfüllten Bahnhöfen auch Spitzenkräfte der deutschen Wirtschaft berühren, die sind privat ja auch Menschen. Aber das System, in dem sie sich bewegen, ist eines der permanenten Verwertung von, um im Sprech der Bilanzen zu bleiben: Humanressourcen. Davon gibt es künftig mehr. Man muss die Flüchtenden noch ein wenig aufarbeiten wie Eisenerz oder verschlacktes Öl, dann lassen sie sich prima verwerten.

Profit mit Fluchtursachen

Ja, viele Konzerne spenden für Flüchtende, manche schicken gar Hilfskonvois in die Türkei, andere werden Lehrer einstellen, um neuen Deutschen Sprachkurse zu geben. Aber welcher Konzern wird seine Geschäftsbeziehungen überdenken und künftig verhindern, dass sich seine Motoren in Panzern wiederfinden, mit denen in Bürgerkriegen auf Wohngebiete geschossen wird? Wie konsequent werden Lieferketten auf sklavenähnliche Arbeitsbedingungen durchforstet?

Welche Großbank hört auf, Waffen zu finanzieren oder Fonds zu unterstützen, die einfachen Bauern ihre Ländereien in Entwicklungsländern wegkaufen? Die globale und damit die deutsche Wirtschaft ist auch Ursache von Flucht. Und profitiert gleichzeitig daheim vom Braindrain in den Ländern, die leer zurückbleiben. Das System ist so komplex, dass sich Verantwortung entweder nicht mehr zuordnen lässt oder Unverantwortung in heiligen Firmengeheimnissen versteckt wird.

Zu Ende gedacht, hat die deutsche Hilfsbereitschaft etwas latent Heuchlerisches an sich. Nicht die von freiwilligen Helfern an Bahnhöfen. Aber wir sollten nicht so tun, als würden wir wie der Heilige Martin unseren letzten Mantel teilen: Wir leben von einem Überfluss auf Kosten anderer, wir gehören global gesehen zur vollgefressenen, dekadenten Aristokratie des Planeten. Von diesem Wohlstand abzugeben, sollte niemand das Gefühl vermitteln, wir Deutschen seien auf einmal die barmherzigen Samariter dieser Welt. Die deutsche Wirtschaft wiederum befindet sich in der angenehmen Situation, sich die besten, fleißigsten und motivierten Neubürger herauspicken zu können. Eben die, die ökonomisch verwertbar sind.

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Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
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57 Kommentare

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  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    @ Nurmalso „Trotzdem ist es schade, dass derzeit grade die abgeben müssen, die eh schon wenig haben. Diejenigen, die auf Lebensmittel von der Tafel angewiesen sind, und diejenigen, die bezahlbaren Wohnraum suchen.“

    Da haben Sie leider vollkommen Recht: „Immer mehr Flüchtlinge in den Berliner Ausgabestellen der Berliner Tafel: Die steigende Zahl an Flüchtlingen in den Ausgabestellen Berlins bringt einige Herausforderungen mit sich. Die Ehrenamtlichen stehen einer schwierigen Situation gegenüber. Die Lebensmittelunterstützung richtet sich an alle bedürftigen Personen Berlins, jedoch muss gerecht aufgeteilt werden.

    Durch Verständigungsprobleme kann unter den Besucherinnen und Besuchern der Ausgabestellen oft nur bedingt vermittelt werden und die Stimmung ist angespannt.

     

    Die Ehrenamtlichen versuchen alles mögliche in Bewegung zu setzen, um die Kommunikation in den Ausgabestellen zu verbessern und viele Menschen zu unterstützen. Dabei kann keine Sofort-Lösung präsentiert werden, die Berliner Tafel beteiligt sich aber an Runden Tischen und Fachgesprächen, um sinnvolles und vor allem zielführendes Vorgehen zu besprechen und eine gute Basis der Kommunikation aller Beteiligten aufzubauen.“

    Quelle: http://www.berliner-tafel.de/berliner-tafel/ & http://www.berliner-tafel.de/laib-und-seele/

  • "Aber welcher Konzern wird seine Geschäftsbeziehungen überdenken und künftig verhindern, dass sich seine Motoren in Panzern wiederfinden, mit denen in Bürgerkriegen auf Wohngebiete geschossen wird? Wie konsequent werden Lieferketten auf sklavenähnliche Arbeitsbedingungen durchforstet?"

     

    Deutschland zusammen mit der EU und den USA muss eine starke Außenpolitik führen, sodass kein Land mehr auf der Welt Panzer kaufen muss oder auf Menschen schießen soll.

     

    Und Unternehmen können leicht eigene Produktion so anpassen, dass selbst Panzer, etwas umgebaut, für friedliche Zwecke genutzt werden. Es wird deswegen nicht weniger Profit geben, denn die Aufschrift auf den Produkten und Maschinen, die von Deutschland exportiert werden,"Made in Germany", wird immer noch als höchste Qualität weltweit wahrgenommen und dementsprechend hoch vergütet.

     

    So eine Diskussion hat Herr Sigmar Gabriel mit der Rüstungsindustrie geführt.

  • Langfristige Hilfe für Flüchtlinge besteht darin, keine übervollen Kleiderschränke mehr zu haben.

  • Ich habe bei dem Artikel zweimal lesen müssen, weil ich dachte, die Satire vielleicht verpasst zu haben. Welche Stellen laden eigentlich zum Herkommen ein? Mal stundenweise im Blumenladen jobben? Oder Erntehelfer spielen für ein paar Wochen? Es gibt kaum Jobs, die Perspektiven bieten. Es sei denn man zählt Prospektausträger dazu. Wenn es so viele tolle Jobangebote gäbe, hätten wir wohl weniger Langzeitarbeitslose. Und ich spreche nicht von der getürkten Zahl der Arbeitslosigkeit, die auch ein Grund ist, warum Menschen meinen, sie könnten sich hier eine richtige Existenz aufbauen.

    • @PeWi:

      Es gibt Stellen, nur nicht dort wo Arbeitslose leben, und nicht zu Bedingungen, die Leute annehmen, die sich eine nach hiesigen Standards menschenwürdige Existenz aufbauen wollen.

  • Danke für den Beitrag!

     

    Dank andauernder Weltfinanzkrisen, Kriege in Syrien, Irak, Lybien, Afghanistan, Ukraine kommt das Human Kapital in Gestalt Hunderrtausender Flüchltinge nun, anders als im Zwanzigsten Jahrhundert die gastarbeiter, nicht durch Anwerbungsbüros vor Ort angelockt, sondern gezwungenermaßen aus reiner Not auf eigene Kosten über den beschwerlichen Weg durch den Balkan, bei Gefahr um Leib und Leben über das Mittelmeer nach Europa ins Steuerparadies der Globalplayer ins deutsche Muttiland,

     

    Welche Nachrichten, angesichts dieses inszeniert medialen Tumults im Für und Wider deutscher Willkommenskultur unter Einvernahme der Hunderttausenden Helfer hierzulande durch die Bundesregierung, durch die "Lächelnde Politikrise Angela Merkel und ihre parteiübergreifende Kohorten" bis zur Unkenntlichkeit verblassen, sind Nachrichten über Menschen, jung ob alt, in den Elendequartieren von Flüchltingslagern in der Türkei, im Nahen,, Mittleren Osten, Afrika, bei ansteigender Kindersterblcihkeit, mangelernährungsbedingten Wachstumsstörungen, unbeschult, entsetzlich unterbeschäftigt, die, wenn überhaupt, Lebensmittelgutscheine zum halbierten Monatssatz von12 €/Person erhalten, die nicht zum Leben aber zum absehbar langsamen Dahininsiechen, Sterben reichen, weil Länder wie Deutschland zugesagte Beiträge zur Weltflüchltingshilfe an den UNHCR scheißegal nicht entrichten.

     

    Aber überrascht tun, wie Bundesinnenminister Thomas de Mazière, wenn nun Hnderttausende noch arbeitsfähige Menschen vorwoegend im "wehrhaften Alter" auf der Flucht vor Zangsrekrutierung für die nächste Ausweitung ds Syrienkrieges mitten in Europa ankommen

     

    http://www.thepetitionsite.com/de-de/536/777/682/luftbr%C3%BCcke-f%C3%BCr-fl%C3%BCchtlinge-in-not/

     

    Luftbrücke für Flüchtlinge in Not

    13 UNTERSCHRIFTEN

    VON: Joachim Petrick

    ZIEL: Mitglieder des Deutschen Bundestages

  • 6G
    65522 (Profil gelöscht)

    Als ich den Artikel gelesen habe, war mein erster Gedanke - schau mal nach syrischer Industrie im Internet. Aufklärendes kam bei mir dabei nichts zustande außer, politische Voreingenommenheit, da ist kaum was und das was war hat der Krieg dahin gerafft. Wenn du in Deutschland ein Jahr aus deinem Job raus bist, ist je nach Anspruch der Zug abgefahren.

    Was ich überhaupt nicht einschätzen kann ist, wie haben die Menschen vor dem Krieg gelebt, wo haben sie gearbeitet, wie ist das Schul- und Ausbildungssystem aufgebaut, welche Industrie gibt es, Industriealisierung der Landwirtschaft, welche Handwerksberufe werden ausgeführt, was ist mit Konzertsälen, Museen, Bildender Kunst, ich höre und lese immer nur Assad, Assad , Assad.

    Flüchtlinge als Wachstumsfaktoren, nach Umverteilung der Steuereinnahmen in humanitäre Bereiche werden von hauptsächlich von Steuerzahlern finanziert. Das ist zwar ein Wirtschaftsfaktor als Wachstum in konsumierenden Bereichen, mit Wertzuwachs bei den abschöpfenden Personen, also Vermögen das weg ist und sich als Blase weiter anhäuft. Selbstfinanzierter Aufschwung durch Steuergelder, finanziert durch Kredite die der Staatshaushalt durch ausgewogene Steuereinnahmen wahrscheinlich nicht refinanzieren kann.

    Das wäre Wachstum auf Pump, und Ausplünderung der Vermögen, wobei die private Abschöpfung sich auf die breite Masse der wertschaffenden Bevölkerung reduziert. Die angehäuften Vermögen sind nicht in den Unternehmen, sondern in Privathaushalten und stehen nach Steuer nur den betreffenden Personen zur Verfügung stehen.

    • @65522 (Profil gelöscht):

      Die letzte Zahl, die ich gesehen habe, sind 20% Akademiker.

  • "Firmenchefs heißen Flüchtende willkommen, Konzerne suchen unter ihnen nach Fachkräften und Ingenieuren". - War das jetzt Ironie oder meinte der Redakteur das ernst? Kleiner Tipp an die Journalisten. Einfach mal recherchieren, wie viele arbeitslose Ingenieure und Naturwissenschaftler wir seit Jahren in Deutschland haben. Vielleicht fällt dann irgendwann einmal der Groschen.

     

    Vielleicht ist das aber das allgemeine Problem bei Journalisten, egal welcher politischen Richtung sie nun angehören. Journalisten haben, genau wie Berufspolitiker, nie in der Realität des kleinen Bürgers gelebt. Vom Gymnasium auf die Journalistenschule, um dann auf etwas höherem Niveau, als sie es von ihrer Schülerzeitung gewöhnt waren, Artikel zu verfassen, die aber an der Wirklichkeit der Bürger vorbeigehen.

     

    "Die Wirtschaft will Flüchtlinge in die Wertschöpfungsketten der Industrie einbetten (BDI-Chef Ulrich Grillo)". Ulrich Grillo wird uns hier als Gutmensch verkauft? Ausgerechnet dieser Anführer der Kapitalisten? Bei diesem Satz hat man nun endgültig das Gefühl einen Artikel in der Springer Zeitung DIE WELT zu lesen und nicht in der taz.

    • @Ricky-13:

      Für mich klang das Zitat von Ulrich Grillo wie heftigster Sarkasmus.

      • @Arne Babenhauserheide:

        Ich bin, wenn man sich die Leserbriefe anschaut, nicht der Einzige der bei der Interpretation des Artikels einige Schwierigkeiten hatte. Dennoch werde ich mich natürlich bei dem Journalisten für meine Fehleinschätzung ihm gegenüber entschuldigen. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass man dann den "Sarkasmus" im Text besser herausarbeiten sollte, denn Textinterpretationen gehören in die Schule oder in ein Seminar für Literaturwissenschaftler, aber eine Zeitung sollte so etwas nicht auch noch von seiner Leserschaft abverlangen.

         

        Dass aber ein Großteil der Journalisten, egal welcher Zeitung auch immer, sich nicht mit den realen Arbeitslosenzahlen in Deutschland befassen und auch nicht sehen oder sehen wollen, dass wir keinen Fachkräftemangel in Deutschland bei Millionen von arbeitslosen gut ausgebildeten Menschen (Handwerker, Kaufleute, Akademiker) haben, ist leider auch Tatsache.

  • Das nun viele auch nach Deutschland kommen, daran trägt Deutschland doch eine Mitschuld..

    Dass beide Krisen, die Eurokrise und die auf Europa übergreifende Flüchtlingskrise im Nahen und Mittleren Osten, zeitlich zusammenfallen, ist eine historische Katastrophe.

     

    Das Zeitfenster für eine Wende zum Besseren, das sich mit dem arabischen Frühling geöffnet hatte, ist wieder fest geschlossen. Europa, mit seiner selbst eingebrockten Eurokrise beschäftigt und diese durch ideologische Verbohrtheit seiner Eliten verlängernd, hat die Gelegenheit verstreichen lassen, zur friedlichen Entwicklung des arabischen Raumes beizutragen.

     

    Nun holt Europa dieses Versäumnis unausweichlich ein, und es kommt nicht nur die zu uns fliehenden Menschen sondern auch uns selbst teuer zu stehen – teuer im Sinne des Vorschubs, den es nationalistischen Kräften liefert.

     

    Die europäische Wertegemeinschaft droht zur Schönwetterveranstaltung zu verkommen, die Auszeichnung der EU mit dem Friedensnobelpreis 2012 muss auf die Schutzsuchenden wie Hohn wirken.

     

    Was ist zu tun? Das Stichwort Ursachenbekämpfung ist wohlfeil, wenn man am Münchener Hauptbahnhof steht. Es bleibt im ersten Schritt nichts anderes übrig, als Zeit zu kaufen durch eine großzügige, kreditfinanzierte Versorgung der Asylsuchenden hierzulande und im Rest Europas, um diese Zeit dann für internationale Verhandlungen zur Befriedung des Nahen und Mittleren Ostens zu nutzen. Doch es ist so gut wie ausgeschlossen, dass die dafür erforderliche wirtschaftspolitische Kehrtwende in Europa vom gegenwärtigen politischen Personal zustande gebracht wird, das sie ja explizit ablehnt. So werden die Flüchtlinge von denen zu Sündenböcken gemacht werden, die unter der herrschenden Wirtschaftspolitik leiden, denen aber eine Ursachenanalyse zu mühsam ist und die die Flüchtlingsströme lieber als Wasser auf ihre nationalistischen Mühlen lenken wollen. Quelle Nachdenkseiten

  • Dem kann ich aus eigener Erfahrung nur zustimmen. Aber solange der Westen mit gerade einmal 10% der Weltbevölkerung den Rest der Welt als seine Kolonien betrachtet und auch so behandelt, braucht sich niemand im Westen über Flüchtlinge und Terroristen beschweren.

     

    Und zu dem Kommentar:"Das sollte man jemand erklären der auf die Tafeln angewiesen ist." Der Vergleich hinkt, denn es ist schon ein Unterschied wie Tag und Nacht, wenn ich eine funktionierende Infrastruktur, wie Sanitär, Heizung und Wasser habe, oder ob ich in Trümmern oder Flüchtlingszelte überleben muss noch dazu mit den täglichen westlichen Drohnen Angriffen.

     

    Im Übrigen solange der Westen mit seinen gerade einmal 10% Weltbevölkerung für sich beansprucht alleine 40% der Ressourcen dieser Erde zu verbrauchen, mit welchem Recht?

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @heino Ewerth:

      Die Menschen, die zur Tafel gehen oder nach bezahlbarem Wohnraum suchen und nun auch zukünftig mit größerer Konkurrenz um Jobs im Niedriglohnsektor zu rechnen haben, sehen sich wahrscheinlich nicht unbedingt als die Kolonialherren der restlichen Welt und werden sich auch in ihrem Frust nicht von Ihrem Argument überzeugen lassen! Herr von Sinn fordert bereits, den Mindestlohn auszuhebeln: http://www.wiwo.de/politik/deutschland/denkfabrik-ohne-abstriche-beim-mindestlohn-finden-viele-zuwanderer-keine-arbeit/12300610-all.html

      Der soziale Sprengstoff bleibt, wie der Rechtsruck in anderen europäischen Ländern bereits zeigt, wie bspw. in Frankreich! Die Stimmung in Deutschland kippt bereits, auch wenn die überwiegenden Zeitungsartikel dies nicht wahrhaben wollen.

  • Kurzfristig werden die Flüchtlinge sicher das Wachstum steigern, aber langfristig bleibt die Frage, wie sich diese Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren können.

     

    Vielerorts werden Ausbildungsplätze abgebaut/eingespart - von einem Boom auf dem Arbeitsmarkt ist Deutschland extrem weit entfernt. Sicherlich lösen diese Flüchtlinge auch ein wenig Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt aus, aber wenn ein hoch-qualifizierter Syrer in Deutschland als Reinigungskraft arbeitet und zwar in Teilzeit zum Mindestlohn, dann zeigt es auch, was passieren kann.

     

    Es gibt integrierte Menschen in der Statistik des Arbeitsamts/Jobcenter - gut und gerne 3,5 bis 4 Mio. Menschen haben keine Arbeit. Und Arbeitsplätze schaffen keine ehrenamtlichen Helfer, sondern die hängen auch von der Wirtschaft, vom Markt - von anderen Faktoren ab.

     

    In Syrien hatten sie wenigstens ein Bildungssystem, aber das ist deutlich unter dem deutschen Niveau. Wichtig wäre doch, dass Deutschland sich ändert, seine Wirtschaftspolitik anders ausrichtet, damit der Arbeitsmarkt in Bewegung kommt. Sonst könnte es passieren, dass viele Flüchtlinge zu Dauerkunden beim Jobcenter werden.

     

    Außerdem müssten die Flüchtlinge auch wirklich guten Deutsch-Unterricht erhalten, damit sie wirklich eine Chance erhalten. Bisher war alles lieb und nett, aber auf lange Sicht wird sich vieles ändern müssen, damit aus dieser Einwanderung eine Erfolgsstory werdne kann. Eine unsoziale, auf UNternehmensgewinne ausgerichtete Politik jedenfalls wird nicht einen Boom auf dem Arbeitsmarkt auslösen - da muss anderes her. Und die Löhne müssen steigen. Die Regierung sollte den Mindestlohn anheben und härter gegen Schwarzarbeit vorgehen. Vielleicht sollte sie auch mehr Geld ausgeben.

  • "Viele Autochthone waren klug genug, um darauf zu verzichten, Kinder für dieses System zu zeugen."

     

    Die Dummheit Kinder zu zeugen, ist gleich der, es nicht zu tun. Aber schön, dass die Verzichter ihrem humanist. Leitbild folgend, sich abstinent verhalten. Kinder werden i.d.R nicht für ein System gezeugt.

    • @lions:

      @ Age Krüger

      • @lions:

        Sich der Reproduktion von allem soweit wie möglich zu entziehen, was dem System dienlich sein könnte, mag sich heute ideologisch sehr borniert anhören.

         

        Es gab jedoch in der alten BRD um die Zeit Ende siebzig/Anfang achtzig tatsächlich Aufrufe zum "Gebärstreik" in der eher autonomen Szene.

        Dass die Gedankengänge, dass auch das Private politisch ist, heute kaum noch gedacht werden, ist auch Folge der später einsetzenden und mit der Wiedervereinigung beschleunigten konservativ-neoliberalen-reaktionären Renaissance.

        • @Age Krüger:

          Was ist, wenn nur noch Menschen, die unpolitisch sind, Kinder kriegen ? Der Einfluss der Eltern auf ihre Kinder ist nicht unerheblich. Das heißt, will ich etwas wirklich und für die Zukunft tun, lasse ich mich nicht durch ein System-immanentes Bedrohungsszenario davon abhalten, Kinder in die Welt zu setzen. Ich muss ja nicht gleich fanatische Staatsfeinde "heranzüchten"; Wenn die Kinder Kritik und Selbstkritik walten lassen, werden diese an der Veränderung des Systems beteiligt sein.

          Wenn der Staat plärrt, kriegt mehr Kinder, dann sag ich okay, aber nicht für euch.

        • @Age Krüger:

          Ach der Gebärstreik, ich erinnere mich.

          Es war eine feministische Nachgeburt des Protests gegen die Natoaufrüstung.

           

          Ich habe übrigens auch unterschrieben. In voller Überzeugung natürlich nie Kinder in diese Welt setzen zu wollen.

           

          Anamolie hat schon recht : Kinder werden i.d.R nicht für ein System gezeugt.

           

          und das ist gut so!

          • @Seifenblase:

            Auch

            @Anamolie:

             

            " Kinder werden i.d.R nicht für ein System gezeugt."

             

            Insofern ist es dem Staat wahrscheinlich lieber, es kommen Menschen ins Land statt hier geboren zu werden.

            Bei den Neuankömmlingen rechnen Sie mit Dankbarkeit und Überzeugung zum System. Ob ich meine eigenen Kinder oder andere Menschen überzeuge, dass man auch Werte wie Solidarität und Humanität schätzen soll, bleibt wahrscheinlich die gleiche Arbeit

  • "Wir leben von einem Überfluss auf Kosten anderer, wir gehören global gesehen zur vollgefressenen, dekadenten Aristokratie des Planeten".

     

    Das erzählen Sie bitte mal all jenen, die ihren Lebensbedarf nur durch die Tafeln halbwegs decken können.

  • Wie erleben gerade die Hochzeit von Linksliberalismus und Wirtschaftsliberalismus (Kapitalismus).

    Dass ich das noch erleben darf....

    • @Jan :

      Hochzeit der Linken und links Angehauchten mit den Rechten und Neokolonialist/innen, wie derer von SAP und der anderen Industriellen, die Merkel sagen, dass sie sie lieben.

      Und Merkel ist nur extrem berechnend und ich halte die Aussage Merkels für eine Merkel'sche Blend-Aussage, da sie in Heidenau sagte, die Leute sollen nicht gegen Flüchtlinge demonstrieren. Diese Merkel'sche Aussage war genau das Gegenteil dessen, was Merkel denkt und wie sie handelt. Im Faschismus wurden die dem System angeblich Brauchbaren am Leben erhalten. Und nichts weniger hat Merkel, freilich in ihrem eigenen Sprech und zwischen den Zeilen, gesagt. Deshalb halte ich das, was Merkel in Heidenau gesagt hat, genauso für rechts, wie das, was die Demonstrant/innen in Heidenau gesagt haben, für rechts.

  • danke, danke, danke!

  • "Dann eben ein paar Milliarden weniger Haushaltsüberschuss – selten konnte ein Land so viel Menschlichkeit aus der Portokasse zahlen."

     

    Ähm... hab ich was verpaßt? Schland hat 2 Billionen Euro Schulden und sekündlich werden es 1550 Euro mehr. Wie muß man das rechnen, daß dabei ein Überschuß rauskommt?

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      • @10236 (Profil gelöscht):

        Private Vermögen gehören aber nicht der BRD. Auch wenn ich - wohl mit Ihnen - der Ansicht bin, daß gerecht verteilt werden soll: Im Moment ist es nicht so.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          "Private Vermögen gehören aber nicht der BRD"

           

          Werden aber teilweise durch die Staatsschulden gebildet. Z.B. werden die Sozialausgaben des Staates fast vollständig von den Empfängern ausgegeben und dann woanders thesauriert oder zur Bildung der Privatvermögen genutzt.

          • @10236 (Profil gelöscht):

            Das ist mir bekannt. Nur sehe ich derzeit keine reale Entwicklung, die dem entgegenwirken könnte.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Die deutschen Haushalte haben ein Vermögen von über 5 Billionen. Eigentlich seltsam, dass wir da Schulden machen müssen. Allerdings liegen 60% dieses Vermögens bei nur 10 % der Deutschen. Wir sind ein reiches Land. Wir verteilen nur sehr seltsam. Deutschland hat keine Schulden, weil es pleite ist. sondern weil die Ausbeutung auf unserem Zinssystem beruht. Wir müssen die Zinsen erarbeiten, von denen die Reichen immer reicher werden. Die lassen ihr Geld arbeiten. Aber Geld arbeitet nicht. Versuchen sie mal einem Fuffi ne Schippe in die Hand zu drücken.

      • @Karlheinz:

        Das ist bekannt. Solange aber keine solche Umverteilung vorgenommen wird, bleibt es dabei.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Deutsche haben ein Geldvermögen von 5 Billionen. 2 Billionen davon sind Staatsschulden. Bleiben beim Vermögen also 3 Billionen übrig. Bei den Staatseinnahmen liegen wir diese Jahr bei einem Plus von 21 Mrd. €. Ohne weitere Staatsverschuldung oder Sparbemühungen sind damit die 10 Mrd € locker zu finanzieren. Man sollte nämlich nich vernachlässigen, dass die Aktivitäten zur Aufnahme der Flüchtlinge ja auch Umsatz, Gewinne und Steuereinnahmen produzieren.

  • Bitteschön : Immer schön auf dem kapitalistischen Wirtschaftsteppich bleiben , ja ?! Nach diesem richtet es sich doch zuallererst , wieviel Humanität sich dieses Land in puncto Flüchtlingszustrom leisten kann bzw.können wird . Und dabei sollte man ganz nüchtern Folgendes im Auge behalten :

    Laut 'Statistisches Bundesamt' hatten wir 2005 noch (statistisch Erfasste) 4.860 909 (!) Arbeitslose . Der eigentliche Knaller im Vergleich zu heute liegt jedoch hierin :

    "WSI Report 19 |November 2014

    Seite | 8 , Arbeitsvolumen :

    Trotz der beschriebenen trendmäßigen Abnahme der durchschnittlichen Arbeitszeit-

    dauer je Beschäftigten liegt das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen 2012 in etwa

    auf dem Niveau von 1995, da im gleic

    hen Zeitraum die Zahl der Erwerbstätigen von

    37,73 Mio. um gut 10 Prozent auf 41,55 Mio. gestiegen ist

    (Abbildung 3). Dieser Anstieg der Erwerbstätigkeit steht im Zusammenhang mit der Zunahme der Frauen-erwerbstätigkeit, insbesondere in Teilzeit (siehe Kapitel 6 Arbeitslose)".

     

    Tja , und sehr seltsam : aktuell haben wir "nur" noch ca 2.8 Millionen Arbeitslose . Aber immerhin - für die auch keine Beschäftigung gefunden werden kann .

    (Hier bitte selber weiterdenken .Und

    übrigens : Ich bin alles andere als ein Apologet des Kapitalismus )

  • Die Fluechtlinge kommen als Ganzes, nicht nur hochausgebildete Ingenieure und Facharbeiter. Im uebrigen gehen sie ueberall hin, nicht nur nach Deutschland. Ich bin in Afrika, und schaue gerade zwei unserer Tiefbrunnenbohrtrupps an: Lokale Firmen, aber in beiden sind Syrer die Facharbeiter, die an der Maschine stehen.

  • Dass der Lohn (und damit letztlich auch die sozialen Leistungen) sinken werden, ergibt sich aus der Logik des Kapitalismus. Es wird mehr Arbeit angeboten bei kaum gesteigerter Nachfrage nach Arbeit, also sinkt der Lohn.

    Und es ist natürlich auch eine Möglichkeit, die Binnennachfrage etwas zu steigern, indem man Menschen ins Land holt, die erstmal das allerallernotwendigste brauchen.

    Hauptsache: Den Armen, die schon hier sind, geht es nicht besser.

     

    Die Bourgeoisie braucht ein Proletariat, sonst hätte sie keinen Profit, wenn sie niemanden ausbeuten kann. Viele Autochthone waren klug genug, um darauf zu verzichten, Kinder für dieses System zu zeugen.

     

    Wer erklärt den Menschen, die hier ankommen, dass der Vorteil in diesem Land nur darin liegt, dass sie hier überleben, weil sie sich in ein System einbinden lassen, das die im Trikont zurückgebliebenen weiter verarmen lässt?

    • @Age Krüger:

      Trikont: Afrika, Lateinamerika, Asien. Ich erinnere mich an einen Studenten aus Suedkorea, in den 80iger Jahren. Inzwischen scheinen 1,1 Milliarden Chinesen und 1,1 Milliarden Inder nachzumachen, was die Suedkoreaner vorgemacht haben.

      • @Gabriel Renoir:

        Dennoch scheint die Lebensqualität der 1,1 Mrd. Inder nicht so zu sein, als dass z.B. Menschen aus Afghanistan im nähergelegenen Indien Asyl suchen würden bzw. sich dort eine bessere Zukunft wie in Deutschland und Europa vorstellen könnten.

         

        Woran liegt das? Oder hat Indien evtl. wesentlich mehr afghanische Migranten als in Europa bekannt?

        • @Age Krüger:

          Die gehen auch nicht nach Russland. Sie sind in den Nachbarlaendern, oder in wirklich bessere Laender, das ist EU und USA.

  • Klar gibt es durch die Suche nach einem besseren Leben - und überhaupt Überleben - die Möglichkeit die Konkurrenz unter den AnbieterInnen von Arbeit zu erhöhen.

    Da sollte jedoch alles versucht werden, mit solidarischen Vereinigungen, Basisgewerkschaften zu syndikalisieren, also aus der Not eine Tugend machen.

    Das mit den Sprachen wird schon klappen - hauptsache man fühlt sich nicht "deutsch".

    Auf der Suche nach einem besseren Leben sind alle Lohnabhängigen.

  • Guter Kommentar und wertevolle Leserkommentare -danke.

  • All jene, die, wie der Autor, den deutschen Firmenchefs vorwerfen, sie betrachteten die Flüchtlinge nur als "Wirtschaftsfaktor", sollten sich das nochmal überlegen. Sie könnten sich sonst in unerwünschter Gesellschaft wiederfinden:

     

    Eine gewisse Marine Le Pen vom französischen „Front National“ sammelt schon seit einiger Zeit mit der Warnung vor "Deutschlands Gier nach billigen Sklaven" Punkte bei ihren Anhängern! Nachzulesen u. a.: http://www.deutschlandfunk.de/front-national-unversoehnlich-in-jeder-hinsicht.1766.de.html?dram:article_id=330330

     

    Darüber hinaus dürfte ein großer Teil der Flüchtlinge im Sinne des deutschen Arbeitsmarktes als „ungelernt“ gelten und eben NICHT „ökonomisch verwertbar“ sein!

    • @Pfanni:

      Sogar eine Le Pen kann mal was Richtiges sagen. Erstaunlich.

  • Fed - ist kein Lutschbonbon...

    Aktien mit „story“ sollen es leichter haben. Weltdeutungen ohne realistischen Kapitalismus (vgl. Heiner Geißler) aber mit dem ergiebigen Drops „Neoliberalismus“ laufen derzeit narrativ-dispositiv sehr gut. Mich überzeugen sie nicht, schaut man über den touristisch-geschmäcklerischen Tellerrand. Irgendwie laufen nie mehr – in den Verkehrsmeldungen – Personen auf den Straßen, sondern nur noch Menschen. Diese Menschheit, bereits im Verkehrsmeldungsvorgriff globalisiert, weil dann gibt es keine Nationen mehr (also keinen Krieg, logisch) wird es besser haben. Hoffe ich auch noch. Wenn nur der Krieg nicht wäre. Setze zwischendurch aber auf „Überlieferungszusammenhänge“ ( Jörg Baberowski). Immerhin gießt Autor Ingo Arzt Wasser in den Wein der flotten Turmbauer von Babel und den menschlichen brain-drain-Hamsterern für den hiesigen Standort. Und, es war noch nicht einmal ein Gedanke von Zinserhöhung dabei (ist nicht nur ein Drops: Fed).

  • WER hat den Ingo Arzt so "verblendet", dass er die ökonomische Schönfärberei in einer "kritischenn" Tageszeitung derartig

    übernimmt?

     

    Das Kaputtsparen Lohnndumpen, dumpt auch die Konjunktur seit längern und da Übefdrückvemtil "Finanzderivate" und Finantsoekulationen ist selbst zerplatzt und so wird uns alles alles mit Kriegen und Bürgerkriegen, WElt-Atommkruegsgefashranstieg um die Ohren gehauen, wenm es es bicht von selbst macht,

  • "Ihr ewiges Argument, dass „die“ uns die Arbeitsplätze wegnehmen, ist schnell widerlegt."

     

    Die Wirtschaft muß nur laut genug schreien, daß der Mindestlohn gesenkt werden muß, und/oder die Flüchtlinge eine neue Superleichtlohnklasse unterm Mindestlohn werden müssen (der sinnbefreite Herr vom Ifo mit dem Lincoln-Bart schwallt da gerade 24/7 in seiner Hausgazette, der Wirtschaftswoche herum)? http://www.wiwo.de/politik/deutschland/denkfabrik-ohne-abstriche-beim-mindestlohn-finden-viele-zuwanderer-keine-arbeit/12300610-all.html

    Genau damit, wenn dann die Billiglöhner 1.0 und Billiglöhner 2.0 gegeneinander in den Wettbewerb gehetzt werden (und die Industrie sich vor Freude einpißt und ganz nach Angebot und Nachfrage die Billigsten herauspicken kann) wird dieses Argument wieder salonfähig gemacht.

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @Da Hias:

      Stimme Ihnen zu, Herr Sinn ist wieder mal von Sinnen! Warum denn den Mindestlohn senken? Besser Spitzensteuersatz erhöhen, Erbschaftsteuersatz ebenso und verfassungskonforme Vermögenssteuer einführen. Am besten einen New Deal wie unter Roosevelt (http://www.taz.de/!5109265/) Dann gibt es genug Geld für Integration und Ausbildung. Außerdem können dann auch endlich die fehlenden 15.000 offenen Stellen bei Steuerbeamten besetzt werden und endlich etwas gegen die Steuerflüchtlinge nach Luxemburg etc. unternommen werden.

  • Sehr richtig.

    Und da die meisten Bildungsabschlüsse aus den Ursprungsländern von Behörden und Firmen nicht anerkannt werden, kann man die gut qualifizierten Arbeitskräfte weit unter ihrer Qualifikation bezahlen.

  • Nein, wir Deutschen sind nicht "die barmherzigen Samariter dieser Welt". Der Samariter aus dem Gleichnis hat schließlich nicht selber zu den Räubern gehört, die zwischen Jerusalem und Jericho jenen Wanderer überfallen haben, dem nur einer von dreien helfen wollte. Und in geschäftlichen Beziehungen gestanden hat er auch nicht zu den Halsabschneidern.

     

    Wir Deutschen, ob wir nun Hartz IV beziehen oder Millionäre sind, profitieren via Steuern und Spenden allesamt von einer Wirtschaft, die sich wie kaum eine zweite auf die effiziente Ausplünderung der Schwächsten versteht. Uns kann man also eher mit der Frau des mittelalterlichen Raubritters vergleichen, die an hohen kirchlichen Feiertagen dem Bettler vor der Kirche einen wurmstichigen Apfel schenkt.

     

    Von einer zwar hier verwurzelten, inzwischen aber weltweit agierenden Wirtschaft haben wir gelernt, uns selbst der Nächste zu sein. Leicht ist uns das vor allem dadurch geworden, dass die, von deren Ausbeutung wir leben, oft ziemlich fern sind. Zu fern, um uns die Nächsten sein zu müssen. Und wenn sie morgen direkt vor der Türe stehen, die Hungerleider dieser Welt, dann können wir uns trösten mit dem Gedanken: Ich muss mich auch darum bemühen, herausgepickt zu werden unter anderen. Mir ist es schließlich eine Ehre, wenn ich besser verwertbar bin als meine Nachbarn oder Freunde. Auch, weil es zeigt, dass andere dafür gesorgt haben, dass in meine "Aufarbeitung" noch viel mehr Energie "investiert" wurde, als in die von Eisenerz oder verschlacktem Öl.

     

    Warum soll es den Flüchtlingen denn besser gehen als mir? Ganz einfach: Weil es womöglich vom Flüchtling bis zum Milliardär allen Menschen gut bekäme, wenn sie sich und andere nicht mehr so oft betrügen müssten.

    • @mowgli:

      Genau - und deswegen sind Leute wie sie für Vermögenssteuer, Erbschaftsteuer etc.

      Damit die ach so böse Wirtschaft mehr abgibt von dem dann unter anderem sie profitieren.

       

      Ach sie mein Guter sind Profiteur und mehr als Gemecker und Gezeter kommt von ihnen nicht.

      Oder verzichten sie in Zukunft auf solche Posts weil die Materialen für den Chip in ihrem Handy/PC unter erbärmlichen ausbeuterischen Bedingungen gefördert wurde? (ich glaube Fair-Silizium gibt's noch nicht)

       

      Nein, wahrscheinlich ist eher das Gegenteil der Fall und sie treten für das Menschenrecht kostenloses W-Lan ein.

      Damit noch mehr Arbeiter in der dritten Welt Silizium fördern um noch schneller Empörungsposts vernetzen zu können.

      Und leider lässt sich das nicht ändern - denn werden in irgendeinem Erdloch in Afrika deutsche Standards gelten noch werden sie oder ich auf die Annehmlichkeiten verzichten.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Nun, in einem kapitalistischen System kann der Einzelne nicht antikapitalistisch existieren. Woraus resultiert, daß das System geändert werden muß. Es zeichnet sich eben derjenige als gescheit aus, der über den eigenen Tellerrand hinaus zu sehen vermag.

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @Thomas_Ba_Wü:

        "Genau - und deswegen sind Leute wie sie für Vermögenssteuer, Erbschaftsteuer etc."

         

        Was spricht denn gegen die Vermögensteuer oder Erbschaftsteuer? Wer die Substanz nicht besteuern will und gleichzeitig die Kapitalerträge fast nur halb so stark wie Arbeitserträge besteuert bekommt früher oder später ein Problem mit ausufernder Ungleichheit.

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @Thomas_Ba_Wü:

        Zu Ihrem Hinweis "[...] Und leider lässt sich das nicht ändern - denn werden in irgendeinem Erdloch in Afrika deutsche Standards gelten noch [...]" Sicherlich werden weltweit nicht die deutschen Standards gelten, doch erstaunlicherweise gibt es sogar Bestrebungen, gewisse arbeitsrechtliche an den Menschenrechten orientierten Standards weltweit einzuführen. Quelle: http://www.taz.de/!5211608/ Doch wer blockiert? Richtig, die ach so nette deutsche heuchlerische "wir schaffen das" Regierung!

        • @2097 (Profil gelöscht):

          Übrigens werden jene Standards gerade mittels TTIP, TISA und anderen Freihandelsabkommen gerade ausgehebelt.

           

          Herr THOMAS_BA_WÜ hat noch nicht begriffen, daß seine Kinder einst in einem Erdloch-Standard leben werden, dank der Politik, die er selbst heute unterstützt.

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Allein Berlin hat momentan 566.649 Hartz IV Empfänger. Viele Menschen in diesem Land arbeiten im Niedriglohnsektor. Die Pauschalisierung im Artikel ist daher irreführend: "Wir leben von einem Überfluss auf Kosten anderer, wir gehören global gesehen zur vollgefressenen, dekadenten Aristokratie des Planeten." Etwas mehr Differenzierung wäre vorteilhaft, da ich nicht den Eindruck habe, dass die Menschen im Niedriglohnsektor in Deutschland vollgefressen im Überfluss leben. Ich empfehle daher zur Differenzierung die Bundeszentrale für politische Bildung (http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61784/armut) und die Bücher von Christoph Butterwegge. (http://www.christophbutterwegge.de/veroeffentlichungen/buecher.php).

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Aber das System, in dem sie sich bewegen, ist eines der permanenten Verwertung von, um im Sprech der Bilanzen zu bleiben: Humanressourcen. Davon gibt es künftig mehr. Man muss die Flüchtenden noch ein wenig aufarbeiten wie Eisenerz oder verschlacktes Öl, dann lassen sie sich prima verwerten."

     

    Alleine schon, dass die Flüchtlinge "mehr Druck in die Arbeitswelt bringen" (Arbeitsagentur-Chef Weise) nützt den Unternehmen. Betrifft höchstwahrscheinlich die 20-25% der Arbeitnehmer. Also oft diejenigen die in den letzten 15-20 Jahren bis zu 20% reale Lohneinbußen hinnehmen mussten.

     

    "..wir gehören global gesehen zur vollgefressenen, dekadenten Aristokratie des Planeten."

     

    Vor einiger Zeit habe ich ein Interview mit Susanne Klatten gelesen in dem sie geschildert hatte welch große Verantwortung und Aufgabe dieses ganze Multimilliardenvermögen mit sich bringt - "das kann man nicht ausgeben" man "muss sich darum kümmern". DAS ist dekadent.

  • "Von diesem Wohlstand abzugeben, sollte niemand das Gefühl vermitteln, wir Deutschen seien auf einmal die barmherzigen Samariter dieser Welt. "

     

    Trotzdem ist es schade, dass derzeit grade die abgeben müssen, die eh schon wenig haben. Diejenigen, die auf Lebensmittel von der Tafel angewiesen sind, und diejenigen, die bezahlbaren Wohnraum suchen.