zahl der woche: Während der Bierkonsum sinkt, steigt der des Weins
Jede zehnte Flasche ist deutsch
Was Rum auf Kuba, Tee in England oder Wein in Frankreich, ist den Deutschen ihr Bier: sinn- und vorurteilstiftendes Identifikationsgetränk. Nicht nur, dass das bierdunsene Klischee den deutschen Michel reichlich albern neben Kubanern, Briten und dem Rest der Welt erscheinen lässt – die Zahlen geben dem Klischee auch noch Recht. Von den 1.600 Brauereien im Euroland liegen 1.277 in Germanien. Niemand trinkt – von Tschechen und Iren mal abgesehen – so viel Bier wie wir. Weltweit ist jede zehnte Flasche eine deutsche.
Man könnte sagen: O.k., wenigstens tun wir alles, um das Klischee bestens zu bedienen. Das Statistische Bundesamt vermeldete gestern aber, dass im vergangenen Jahr der deutsche Bierdurst neuerlich zurückgegangen ist: auf 96,7 Millionen Hektoliter, ein Minus von 2,1 Prozent. Offenbar hat der Deutsche nicht mehr alle Bier Sinne zusammen: Tranken die Germanen Mitte der 90er-Jahre noch über 136 Liter pro Kopf und Jahr, so bekommen sie Anfang dieses Jahrhunderts 12 Liter weniger runter. Nicht nur das: Erstmals wurde im vergangenen Jahr für Wein mehr Geld ausgegeben als für Bier. 32,3 Prozent des in Alkoholika investierten Geldes wurde im ersten Halbjahr 2001 in Weinflaschen angelegt. Nach Erhebungen des Marktforschungsunternehmens GfK entfielen auf Bier nur noch 32,2 Prozent. Während der Biermarkt schrumpft, legte der Weinmarkt um 4 Prozent zu. Über die Hälfte aller Weine kommen dabei aus eigenen Landen. Die Marktforscher sprechen von einem „eindeutigen Trend von Bier zu Wein“.
Schöngeistiges Gesöff statt rülpsiger Gerstenplempe – ist das der Beginn einer Klischee-Revolution? Der Start zur zentraleuropäischen Charakterrevolte – zum Deutschen neuen Types?
Ah, bah, sagt da der deutsche Brauer. Die Zahlen zeigen nur, wie preiswert Bier geworden sei. Für die Brauer zählt vor allem Masse – und da liegt der Wein weit zurück. Im Jahr 2000 nämlich wurden noch 125,5 Liter Bier in jede deutsche Kehle geschüttet. Wein kam nur auf 19 Liter. NICK REIMER
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