wahl in nrw: TAUSENDSASSA MÖLLEMANN
Jürgen W. Möllemann ist wieder da. Und wie! Er ist der einzige Sieger des Wahlabends. Mit der Zielzahl 8 Prozent hatte der liberale Polit-Entertainer im vergangenen Jahr allseits mitleidig belächelt seinen Sturmlauf auf den Düsseldorfer Landtag gestartet. Da dümpelte die FDP noch bei 4 Prozent. Und nun das: fast ein zweistelliges Ergebnis. Mit Perfomance statt Politik hat Möllemann es geschafft, die Grünen locker hinter sich zu lassen. Seine Abschiedsankündigung im Bundestag könnte wahr werden: Wir sehen uns in der Landesregierung wieder. SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement wird sich sehr gut überlegen, ob er weiter mit den grünen Verlierern koalieren will oder sich lieber einen Gewinner an Bord holt.
Der Erfolg Möllemanns hat nicht nur Auswirkungen auf Nordrhein-Westfalen. Möllemann könnte den ungeliebten FDP-Parteichef Wolfgang Gerhardt in nächster Zeit in arge Bedrängnis bringen. Dass Möllemann sich ohnehin für den besseren Parteichef hält, ist seit langem bekannt.
Die SPD hat den Wechsel vom Moderator Johannes Rau zum Macher Clement nur mit einem großen blauen Auge geschafft. Mit seinem Ergebnis vom Sonntag ist der lange Zeit als „ewiger Kronprinz“ geltende Clement zwar aus dem Schatten seines einstigen Ziehvaters herausgetreten. Aber das schlechteste Abschneiden der SPD bei einer NRW-Landtagswahl seit 1962 ist kein Grund zur Selbstzufriedenheit. Allerdings kann er den Verlust aus drei Gründen trotzdem verschmerzen. Zum Ersten hätte ihm noch im Vorjahr nach der Wahlschlappe bei den Kommunalwahlen niemand ein solches Ergebnis zugetraut. Zum Zweiten hat auch sein CDU-Konkurrent Jürgen Rüttgers verloren. Zum Dritten steht Clement trotzdem besser da als Rau vor fünf Jahren: Er kann sich frei aussuchen, welche Partei seiner Politik zustimmen darf. Will er eine stabile Mehrheit, wird er sich für die FDP entscheiden.
Für die Grünen werden die Zeiten an Rhein und Ruhr noch härter. Clement wird mit ihr nach der Devise „Friss, Vogel, oder stirb!“ umgehen. Sie wird fressen – egal was. Es bleibt ihr nichts anderes übrig. Wer seinen Wahlkampf in den letzten Wochen unter das Motto gestellt hat: „Wer Rot-Grün will, muss Grün wählen“, hat keinen Verhandlungsspielraum mehr. Schon gar nicht, wenn die SPD noch einen Möllemann im Hinterzimmer sitzen hat. Keine guten Aussichten – weder für die Grünen noch für Nordrhein-Westfalen.
PASCAL BEUCKER
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