umgeleitet: Bremer Senat betreibt wundersame Geldvermehrung
Wer gute Nachrichten will, darf nicht zu wählerisch sein. Und deshalb: hurra! Eine arbeitsmarktpolitische Katastrophe ist in Bremen erst mal abgewendet. Die Angebote für Arbeitslose, Alleinerziehende und Migrant*innen, die in Bremen über den Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert wurden, hat der Senat nun doch noch abgesichert. Zumindest viele von ihnen. Zumindest für eine kurze Zeit. Und danach? Kann immer noch ein Wunder geschehen.
Hundert Projekte hätten quasi sofort wegfallen sollen: Beratungen, Sprachkurse, psychosoziale Auffangbecken, Beschäftigungsmaßnahmen, Weiterqualifizierungen. Das Land Bremen hatte dafür über den ESF insgesamt 60 Millionen Euro von der EU bekommen, für den gesamten Zeitraum 2021 bis 2027. Das Geld konnte man gut brauchen, gerade als nach der Coronakrise ein paar andere Förderprogramme ausliefen, die damit finanzierten Projekte aber noch weiterliefen. Anfang 2025 waren bereits 52 Millionen Euro verplant – aber irgendwie war in der Sozialbehörde von Claudia Schilling (SPD) niemandem aufgefallen, dass dann für die übrigen Jahre nicht mehr genügend Geld da sein wird. Schon dieses Jahr fehlen bei der Arbeitsmarktförderung insgesamt 19,3 Millionen Euro.
Gestopft wird das Loch jetzt zum großen Teil mit einem Kredit von der Senatskollegin: Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) hat besser geplant und die EU-Mittel zur Wirtschaftsförderung für den Zeitraum 2021 bis 2027 noch nicht aufgebraucht. Geld aus dem „Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung“ (EFRE) finanziert für dieses Jahr also erst einmal Beratungs- und Beschäftigungsangebote, statt wie vorgesehen eine bessere Forschungs-Infrastruktur oder Projekte für mehr Energieeffizienz.
Die Amtshilfe hat aber einen entscheidenden Schönheitsfehler: Das Geld kann ohne Genehmigung der EU gar nicht beliebig zweckentfremdet werden – und wird am Ende für die Wirtschaftsförderung gebraucht.
Das Sozialressort muss das Geld deshalb Ende 2025 zurückzahlen. Wie? Nun ja. Sparen soll das Ressort, hat der Senat beschlossen: Einfach dieses Jahr weniger ausgeben als ursprünglich vorgesehen. Außerdem allen Trägern ganz genau auf die Finger schauen und jeden nicht verwendeten Cent zurückfordern. Und noch einmal betteln gehen bei der EU, für neue Fördermittel. Am Ende, hofft und rechnet der Senat, wird‘s alles irgendwie hinkommen.
2026 allerdings, da ist dann wirklich kein Geld aus dem ESF mehr übrig. Und das Sozialressort muss seine Anleihe ans Wirtschaftsressort zurückzahlen. Träger und Teilnehmer*innen haben einfach ein bisschen Zeit gewonnen, um sich auf den Wegfall aller Maßnahmen einzustellen. Oder es wird noch Geld gefunden, das im regulären Bremer Haushalt dem Ressort für Arbeit und Soziales zugute kommen kann. Ein bisschen Zeit ist noch: Der Haushalt fürs nächste Jahr soll in schöner Bremer Eigenwilligkeit erst im März 2026 verabschiedet werden. Lotta Drügemöller
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