taz.berlin-Adventskalender 7: Fake News mit Poesie
Im taz.berlin-Adventskalender präsentieren wir in diesem Jahr passend zum Winter-Shutdown viele schöne Spiele. Heute: Das Lexikon-Spiel.
Nur Wörter, ja. Aber mit denen kann man sich gut auch mal beschäftigen. Sie genau begucken. Staunen. Wenn man zum Beispiel den „Dschungel“ nimmt: Ein geheimnisvolles, schillerndes Wort. „Subtropischer Urwald Indiens“, erklärt es der große Wahrig. Richtig spannend aber wird es in der Geschlechterfrage. Kann nämlich männlich sein, der Dschungel. Und weiblich, die. Wer will, darf sich sogar für die sächliche Form entscheiden, das Dschungel. So steht es wenigstens in meiner Ausgabe des Wörterbuchs von 1980, die Dschungel sehr gegenwärtig eine grammatikalische Genderfluidität gönnt.
Und mit diesem dickleibigen Buch ist man schon richtig im Spiel: Es kann der Wahrig sein oder ein anderes Lexikon, denn so was braucht man zum Wörterraten beim Lexikonspiel. Für alle einen Stift, ein Blatt Papier, um das auch aufschreiben zu können, wenn es reihum um das Formulieren und Erkennen von Lexikon-Definitionen geht. Eine*r sucht einen den übrigen Mitspielenden am besten unbekannten Begriff aus, die anderen überlegen sich eine passende Definition, das wird dann samt dem „richtigen“ lexikalischen Eintrag vorgelesen. Alle Mitspielenden sagen, welche Erklärung sie für die richtige halten; Punkte gibt es fürs richtige Erraten und für die Definition, welche die anderen Mitspielenden jeweils für die richtige gehalten haben.
Die Punkte kann man zusammenzählen, wenn man in der Runde Sieger sehen will. Oder man freut sich schlicht an der Sinnsuche reihum und wie da die Wörter mit der Bedeutung eingekleidet werden, die ihnen am besten stehen. Fake News mit Poesie. Wenn das Wort „brauschen“ etwa mit „aufbrausen“ erklärt wird und zur Bestätigung ein dem Rilke in den Schuh geschobener Reim notiert ist: „Wenn es draußen brauscht im Wald, fall'n die Blätter ab vor der Zeit.“
Was brauschen wirklich heißt? Kann man ja nachschlagen. Kleine sprachliche Fouls des jeweiligen Wortgebenden steigern das Vergnügen: der bummelstreikende „Go Slow“ hat als Goslow schon einen anderen Charme mit möglicherweise slawischem Sprachhintergrund.
Ob das nun familientauglich ist, muss man ausprobieren. Es sollte auch per Videokonferenz gehen. Oder man macht es allein und schmökert bei der Suche nach neuem Sinn im Lexikon, von A bis Zystitis, das nicht ganz so gesund klingt, das könnte doch das richtige Wort sein für …
Erforderlich: Lust an Sprache
Zielgruppe: Welterklärer
Wer das spielt, spielt auch: ältere Ausgaben von Trivial Pursuit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels