taz-adventskalender (18): Es wird eng für Kriminelle
Die Staatsanwaltschaft will härter gegen die organisierte Kriminalität vorgehen und hat eine neue Abteilung dafür eingerichtet. Die wird viel Beifang machen
Nach dem christlichen Kalender wird die Frohe Botschaft ja erst am 24. Dezember verkündet. Weil es in diesem irdischen Jammertal aber so selten Grund zur Freude gibt, präsentieren wir bis Weihnachten täglich eine gute Nachricht.
Teure Immobilien, Nobelkarossen und andere Luxusgüter, in denen Gelder aus der organisierten oder der Wirtschaftskriminalität stecken, sind künftig weniger sicher vor dem staatlichen Zugriff. Eine neue Abteilung der Staatsanwaltschaft, die sich um ihre Beschlagnahmung kümmern soll, hat am Montag ihre Arbeit aufgenommen. Ihr Ziel sei es, die organisierte Kriminalität noch wirksamer zu bekämpfen, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit.
Für die Startphase hat Berlin zwei Staatsanwält*innen und vier Rechtspfleger*innen bereitgestellt, zwei weitere Staatsanwält*innen werden die Abteilung im kommenden Jahr verstärken. Sie sollen den Ermittlungsbehörden zuarbeiten und ihnen helfen, eine Gesetzesänderung vom Juli 2017 konsequenter umzusetzen.
Seit der Änderung darf die Staatsanwaltschaft noch bei laufenden Ermittlungen Vermögen vorläufig beschlagnahmen, von denen sie annimmt, dass sie durch Betrug, Erpressung oder andere Straftaten in den Besitz der Verdächtigen gelangt sind. Im Falle einer Verurteilung geht das ergaunerte Gut dann endgültig in den Besitz des Landes über oder kann, je nach Urteil, auch dem Opfer zugesprochen werden.
Staatsanwaltschaft hat 30 Jahre Zeit zur Strafverfolgung
Allerdings zielt die neue Abteilung nicht speziell auf organisierte Kriminalität, sondern auf jede Art von Strafdelikten. „Der Grundsatz ist: Kriminalität darf sich nicht mehr lohnen“, sagt die stellvertretende Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Mona Lorenz, der taz. Das heißt: Auch wer eine Packung Zigaretten klaut, sie aufraucht und hinterher wegen Diebstahls belangt wird, muss nicht nur die Strafe für den Diebstahl zahlen, sondern ebenfalls die 6,50 Euro für die Zigaretten.
Die Spanne, innerhalb deren die Delikte verjähren, hat sich durch die Gesetzesnovelle drastisch verlängert: „Die Staatsanwaltschaft hat jetzt 30 Jahre Zeit, von einem Schwarzfahrer die 2,80 Euro für das Ticket einzutreiben“, erklärt Lorenz.
Ob das noch eine frohe Botschaft ist? Es dürfte wohl eher einen absurden Verwaltungsaufwand bedeuten. Ob die Schwarzfahrerin 60 Euro Strafe zahlt oder 62,80 Euro, dürfte ihr auch halbwegs egal sein. Organisierten Großkriminellen, die ihren Porsche hergeben müssen oder ihre Villa im Grunewald, dürfte es mehr wehtun. Das ist immerhin doch eine gute Nachricht oder ein „positiver Nebeneffekt“, wie es die Staatsanwaltschaft nennt.
Und auch, dass der gesunde Menschenverstand bei der Strafverfolgung dann doch noch zum Tragen kommt: Das Gesetz enthält eine Klausel, nach der die Behörden wegen Geringfügigkeit von der Verfolgung absehen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei