taz Talks zur Berlin-Wahl (1): Giffey gibt sich grün
Beim Wahltalk in der taz-Kantine lobt Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) ihre Klimapolitik. Doch das Publikum glaubt ihr nicht so ganz.
Zwar schloss sie nicht aus, dass es ein solches Gesetz unter ihrer Regierung geben könnte, aber: „Ich werde nichts tun, was die Gefahr birgt, dass wir vor dem Verfassungsgericht erneut eine Klatsche bekommen, und ich werde auch nichts tun, was das Land Berlin in erhebliche finanzielle und rechtliche Schwierigkeiten bringt.“
Auf die Nachfrage aus dem Publikum, warum sie die Mieter:innen der Stadt nicht mit einem Enteignungsgesetz entlasten wolle – in der dahinterstehenden Annahme, dass nach Enteignungen die Mieten sinken werden – entgegnete Giffey, sie sei nicht der Meinung, dass Enteignungen „nur eine einzige Wohnung hier in Berlin schaffen“. Der „akute Wohnraummangel“ werde nur durch Neubau und Investitionen gelöst.
Bei Teilen des Publikums stieß dies auf lautstarke Kritik: „Zu teuer“, rief einer; eine andere warf in den Raum, dass „bauen, bauen, bauen“ wegen der Klimakatastrophe keine Option sei. Natürlich, ergänzte Giffey daraufhin, dürfe nicht einfach nur so gebaut werden, es müssten schon „klimaneutrale Häuser“ sein.
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Überhaupt war überraschend, wie viel Wert die Regierende dem Klimathema beimaß. Vielleicht, weil seit einem Jahr quasi täglich Aktivist*innen der Letzten Generation Autobahnzufahren besetzen und damit die Klimakatastrophe als Topthema ins öffentliche Bewusstsein katapultiert haben?
Bei ihren mit Verve vorgetragenen Schilderungen, was der Senat alles in Sachen Klimaschutz getan habe in den guten Jahr seit der vergangenen Wahl, konnte man jedenfalls fast den Eindruck bekommen, mit einer Grünen zu reden: Klimabürger:innenrat einberufen, Klimaschutzgesetz gemacht. Es gebe jetzt eine „Klimagovernance“ im Senat, die BVG-Busflotte solle bis 2030 komplett klimaneutral werden, insgesamt wolle man den städtischen CO2-Verbrauch bis 2030 um 70 Prozent reduzieren – das sei mehr als anderswo, betonte sie.
Auf Nachfrage taz-Berlin-Ressortleiter Bert Schulz, der zusammen mit Co-Chefin Anna Klöpper das Gespräch moderierte, wie diese Kehrtwende zustande komme, schließlich habe sich Giffey noch im Wahlkampf 2021 ausdrücklich zum Autoverkehr bekannt, kamen altbekannte Töne: eine autofreie Innenstadt werde es mit ihr nicht geben, auch keine City-Maut. „Es wird immer Menschen geben, die mit dem Auto in die Stadt müssen.“
Giffey will mehr Elektroladesäulen
Allerdings müsse man mehr Anreize schaffen, dass die Menschen auf Elektrofahrzeuge umsteigen, so Giffey, dafür brauche es mehr Lade-Infrastruktur. In einer Großstadt wie Berlin, wo viele Menschen in Mehrfamilienhäusern leben, „können die Leute schließlich nicht die Kabelrolle runterwerfen“, um auf der Straße ihr Auto zu laden.
Als positives Beispiel nannte Giffey die Idee einer Firma, die Ladestationen in Straßenlaternen einbaut – mit ihr habe der Senat gerade einen Vertrag für 1.000 Straßenlaternen abgeschlossen. Auch das 29-Euro-Ticket und das 9-Euro-Sozialticket, so Giffey, seien Beiträge für den notwendigen Umbau im Verkehrssektor: Schon jetzt gebe es eine Million Kunden für das 29-Euro-Ticket.
Dass die Bilanz von Rot-Grün-Rot in Sachen Klimapolitik nicht ganz so rosig ausfällt, wie die SPD-Frontfrau es darzustellen versuchte, zeigten die Fragen einer Frau aus dem Publikum, die sich als Vertreterin der Klimaliste entpuppte. Zum einen wies sie Giffey darauf hin, dass der Klimabürger:innenrat nicht auf Initiative der Politik, sondern der Zivilgesellschaft ins Leben gerufen wurde. Und wenn die Regierende nun dessen Arbeit so lobe: „Warum lief der dann so unter dem Radar, worum wird der nicht mehr gepuscht?“
Aufgaben für die Verkehrssenatorin
Hier griff die SPD-Spitzenkandidatin auf den üblichen Kniff von Politiker:innen zurück: Der Klimabürger:innenrat sei ja in Verantwortung der Klimasenatorin, sagte sie. „Ich kann das gerne an Frau Jarasch weitergeben“. Auf diese Weise wich sie auch der zweiten Frage der Klimalisten-Vertreterin aus: Warum denn der Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 immer noch nicht konform mit dem Pariser Klimaschutzabkommen sei, insofern er keinen „Emissionspfad“ enthalte und auch kein „nachvollziehbares Monitoring“? Sie werde das bei der Klimaschutz-Senatorin anregen, erklärte Giffey.
Alles in allem zeigte der erste taz Wahltalk, dass Giffey eine Meisterin der hohen Politiker:innen-Schule ist, sich als entschieden und klar darzustellen, ohne sich allzu sehr festzulegen. Beim Tempelhofer Feld etwa möchte sie am Rand „anschauen, was da an bezahlbarem Wohnraum möglich ist“, aber dies dann nur machen – und damit den Volksentscheid zum Feld in den Wind schlagen -, „wenn die Bevölkerung dazu befragt wird“.
Die A100 solle mit einem „qualifizierten Abschluss am Treptower Park“ enden, befand sie. Aber dass dies „für immer“ gelten soll, es also keinen Weiterbau geben werde, wie er derzeit vom Bundesverkehrsminister voran getrieben wird, mochte sie nicht versprechen.
Auch eine Koalition mit der CDU mochte sie vor der Wahl nicht ausschließen – dies habe sie auch beim letzten Mal nicht getan, betonte sie. Dass dies beim letzten Wahlkampf offenkundig ihre Präferenz gewesen sei, wie Moderator Schulz einwand, mochte sie nicht erkennen.
Natürlich waren auch die jüngsten Randale an Silvester ein Thema. Und dürften es auch bleiben, über 2023 hinaus. „Ich verspreche Ihnen klipp und klar nicht, dass das alles ruhig wie im kleinen Dörfchen sein wird“, sagte die Regierende Bürgermeisterin. „Wird es nicht sein, das müssen wir ganz klar sagen: Berlin ist eine Fast-4-Millionen-Stadt. Wir werden immer hier eine besondere Lage haben, auch an Silvester.“
Die nächsten Talks stehen schon fest
Im zweiten taz Wahltalk nächsten Freitag folgt ein Gespräch mit dem Spitzenkandidaten der Linkspartei, Kultursenator Klaus Lederer; in der Woche drauf ist die Spitzenfrau der Grünen, Umweltsenatorin Bettina Jarasch, zu Besuch in der taz Kantine.
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